Festivalbericht: 17. Jüdisches Filmfestival Berlin und Potsdam


Filmszene: "The Infidel"

Filmszene: "The Infidel"

Eine ähnliche Krise schildert „The Infidel“ (Josh Appignanesi), der britische Beitrag im Programm und einer der wenigen Filme, der es auch außerhalb der Festivals in die Kinos schaffte und am 30. Juni in den deutschen Kinos startet. Der bis auf den letzten Platz ausverkaufte Saal feierte die deutsche Vorpremiere mit ausgelassener Heiterkeit. Die schwarz-humorige Komödie erzählt von Mahmud Nasir, einem Engländer, moderaten Muslim und Taxifahrer, der nach dem Tod seiner Mutter feststellen muss, dass er adoptiert wurde und ursprünglich den Namen Solly Shimshillewitz trug. Die Tatsache, dass er eigentlich jüdischer Abstammung ist, stürzt ihn in eine tiefe Identitätskrise, nicht nur weil er seinen Sohn ausgerechnet mit der Stieftochter des radikal muslimischen Predigers Al-Masri verheiraten will.

Gewissenskonflikte dominieren den Alltag in den Geschichten, die das Festival zeigt und die sind nicht immer brüllend komisch. Stephen Fry sucht in der Dokumentation „Wagner & Me“ nach einer Antwort auf die Frage: Beschäme ich meine jüdische Herkunft mit einem Besuch der Wagner Festspiele in Bayreuth? Der Schauspieler, der selbst Angehörige im Holocaust verlor, ist trotz seiner jüdischen Herkunft und trotz der antisemitischen Neigung, die Wagner seinerzeit vorgeworfen wurde und trotz des anderen großen Wagner Liebhabers, Hitler, bekennender Wagner Fan und träumt seit frühster Kindheit vom Besuch der Festspiele auf dem grünen Hügel. Doch seine Leidenschaft brachte ihn schon früh in Gewissenskonflikte. In tiefer Ergebenheit vor dem Genie, dem Gesamtkunstwerk und der kosmischen Kraft der Musik versucht Fry Wagners Musik vom Ballast der Geschichte zu befreien, im Glauben daran, dass die pure Musik unbefleckbar und unzerstörbar ist. Stephen Fry blendet in seiner Begegnung und der physischen Berührung mit der Geschichte, dem Theater und vormals ideologieverseuchten Boden Bayreuths kein noch so quälendes Detail aus.

Filmszene: "Wagner & Me"

Filmszene: "Wagner & Me"

Fry ging es darum, seine eigenen Ideen und Vorstellungen zu testen, erklärt Regisseur Patrick McGrady am Galaabend. Das Dilemma, das er fühlte, als er auf die Breslauerin Anita Lasker-Wallfisch trifft, die Auschwitz nur überlebte, weil sie als junge Cellistin im Häftlingschor spielte, war nur eine von vielen Hürden, die ihn ins Schwanken brachte und seinen Bayreuth Besuch oft hinterfragen ließ. Doch die Macht der Musik und die Liebe zum Tristan-Akkord Wagners, dem Akkord, der in einem Klang so unendlich viel Spannung und Sehnsucht vereinte, ließ ihn schließlich nicht los und so wandte er sich nicht gegen seine Liebe zu Wagners Musik. Ein Film, der es hoffentlich auch ins deutsche Kino schafft.

Historische Aufarbeitung

Viele Filme im Programm widmeten sich der jüdischen Vergangenheit, von der Leidensgeschichte sephardischer Juden im Kurzfilm „One of Seven“ bis hin zur Geschichte um „Eichmanns Ende“ und seinen Henker. Die größte Enttäuschung war hier zu finden. An der TV-Produktion, die in Zusammenarbeit mit den Redaktionen des NDR und SWR entstand, und die aufgrund des 50. Jahrestages des Prozesses Eichmanns ins Programm genommen wurde, schieden sich die Geister. Eine Zuschauerin, die den Film offenbar nicht ganz verstanden hatte und dem Regisseur absurder Weise vorwarf, er würde mit dem NS Verbrecher sympathisieren, verließ wutentbrannt den Saal und entfachte mit ihrem stürmischen Auftritt eine erhitzte Diskussion. Ein Zuschauerpaar warf dem Regisseur mangelhafte Recherche vor und erklärte, die im Film geführten Interviews würden keines Falls den Originalinterviews entsprechen. Eine andere Zuschauerin widersprach dieser Kritik heftig, bedankte sich für den Film und hob noch einmal hervor, dass durch solche Dokumentationen die Aufarbeitung der Geschichte gelänge. Man kann dem Film einiges vorwerfen, nur nicht, dass Adolf Eichmann im Film allzu menschlich dargestellt wurde. Im Gegenteil, die störrische Vehemenz mit der Eichmann bis zum Ende betont, er habe nichts zu bereuen, wirkt verstörend und abstoßend.

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