Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch im Sommer – Teil 2


Delicatessen - Das Berliner Tischgespräch im Sommer 2011

Regisseur Jakob Ziemnicki (links) und Perlentaucher Lukas Förster

Im ersten Teil der Sommer-Ausgabe von Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch sprachen die Filmschaffenden Nicolas Wackerbarth, Till Claassen, Jakob Ziemnicki und Lukas Förster unter anderem über Filmfestivals, Finanzierung und Förderung sowie darüber, wie sie Filme bewerten. Im zweiten Teil beleuchten die Herren die Rolle des Fernsehens, wie sich Regisseure dessen Einfluss entziehen können und fragen sich, ob dem Film im Vergleich mit anderen Künsten die Lobby fehlt.

Berliner-Filmfestivals.de (BFF): Jakob, hat es sich ausgewirkt, dass „1. Mai“ auf der Berlinale lief?
Ziemnicki: Wir hatten 2008 auf der Berlinale mit „1. Mai“ ein ganz gutes Medienecho, weil der Film die Perspektive Deutsches Kino eröffnete. Es kamen dadurch mehr Leute. Aus Sicht eines Filmemachers werden Festivals aber überschätzt. Natürlich ist es gut, dass „Polnische Ostern“ in Saarbrücken lief, aber am Ende steht es nur in der Vita. Wenn man keinen großen Preis gewinnt, spielt es keine Rolle.
Wackerbarth: Wenn ein Film auf einem Festival läuft, ist das eine wichtige Bestätigung für die Fernsehredakteure. Wobei die meisten ganz andere Kriterien haben, als man selbst. Ein Film der in Cannes in der Un certain regard läuft, wird im Verhältnis zu dem, was das vielleicht für den Filmemacher bedeutet, relativ wenig wahrgenommen.
Claassen: Hilft eine Präsenz auf Festivals nicht um folgende Projekte zu finanzieren?
Ziemnicki: Es ist wirklich schwer zu sagen, welche Gründe es gibt, warum ein Film einen Preis erhält oder nicht. Ich dachte nach meinem letzten Film, dass die Finanzierung für meinen neuen nicht schwer wäre. Wenn man in Cannes oder in Berlin gewinnt, ist es wahrscheinlich leichter, einen neuen Film zu finanzieren.
Wackerbarth: Wenn er gar nicht vorkommt, ist es noch schwieriger.
Ziemnicki: Natürlich.

Delicatessen - Das Berliner Tischgespräch im Sommer 2011

Zur Sommer-Ausgabe traf sich eine Herrenrunde im Mesa.

Wackerbarth: Es ist schwierig einen Film zu finanzieren, aber irgendwie geht es dann doch immer. Wir haben in Deutschland durch die verschiedenen Bundesländer eine breit aufgestellte Filmförderlandschaft. Weil aber so viele Leute bei einem Projekt mitreden dürfen, entsteht viel Mittelmaß. Bei großen Projekten sind es an die dreißig Leute, die entscheiden, ob ein Film finanziert wird. Das ist doch verrückt.
Förster: Dieses System verschlingt auch eine Unmenge an Zeit. Zwischen den Projekten vieler Regisseure liegen oft fünf, sechs Jahre. Als Zuschauer und Kritiker ist es da oft sehr schwer, so etwas wie einen Werkzusammenhang zu entdecken. Bei Dominik Graf oder Christian Petzold geht das sicherlich.
Ziemnicki: Im Unterschied zu Amerika reicht das Geld, was man mit einem Film verdient, meist nicht lange aus. Schon gar nicht sechs Jahre. Gerade wenn man die langen Produktionszeiten betrachtet. Viele Regisseure stellen sich die Frage, ob sie da nicht lieber Fernsehen machen. Da ist man aber sehr schnell wieder in einer Schublade, die es einem schwer macht Kino zu machen.
Wackerbarth: Die Geschwindigkeit der Produktion hängt damit zusammen, ob der Regisseur auch ein guter Autor ist. Christian Petzold wäre ein Beispiel. Diejenigen, die selbst gut und schnell schreiben können, produzieren viel. Ein anderes System hat sich Dominik Graf über seine Fernseh-Arbeiten aufgebaut. Drei, vier Autoren arbeiten parallel für und mit ihm. So entsteht ein Output, den andere Regisseure nicht leisten können.

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