Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch im Sommer


Am langen Tisch unseres Stammlokals Mesa traf sich eine illustre Herrenrunde, um sich bei der Sommer-Ausgabe von Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch über Film zu unterhalten. Vor dem großen Weinregal plauschten: Nicolas Wackerbarth (Regisseur „Unten Mitte Kinn“ und Mitherausgeber der Filmzeitschrift Revolver), Till Claassen (Organisator des Media-Arts-Festivals Emergeandsee), Regisseur Jakob Ziemnicki („Polnische Ostern„, „1. Mai – Helden der Arbeit„) und Lukas Förster (Kurator, u.a. Filmreihe „Spuren eines Dritten Kinos„, und Filmkritiker bei taz und Perlentaucher).


Nicolas Wackerbarth zu Lukas Förster: Nach deinen diversen in Cargo veröffentlichten Festivalberichten zu urteilen, bist Du von uns wohl derjenige, der dieses Jahr zu den meisten Festivals gereist ist. Wie viele Filme hast du dir auf jedem Festival angeschaut?
Förster: In meinen acht Tagen in Rotterdam habe ich circa sechs Filme pro Tag gesehen.
Jakob Ziemnicki: Schaffst du das? Ich schaue bei der Berlinale maximal drei Filme am Tag. Das halte ich vielleicht eine Woche durch und dann kann ich nicht mehr. Gehst du konsequent raus, wenn dir ein Film nicht gefällt?
Förster: Nur sehr selten.
Ziemnicki: Es ist auch unfair, da hat jemand sehr viel Herzblut in einen Film rein gesteckt.
Förster: Auf der Berlinale schaue ich auch nur noch maximal drei Filme am Tag. In Rotterdam kannte ich niemanden vor Ort und das Wetter war auch nicht besonders gut. Ich bin oft vor dem Sturm ins Kino geflüchtet. Rotterdam ist zudem immer extrem dicht programmiert, da will ich auch gar nichts verpassen. Das ist bei anderen Filmfestivals nicht unbedingt der Fall.

Delicatessen - Das Berliner Tischgespräch im Sommer 2011

Sommer Tischgespräch mit Jakob Ziemnicki, Lukas Förster, Till Claassen & Nicolas Wackerbarth (v.l.n.r.)

Wackerbarth zu Förster: Und welches Resümee ziehst du aus diesem Jahr?
Förster: Für mich ist es das Ideale, Filme auf Festivals zu sehen Aber es ist auch ein Ausnahmezustand, der ambivalente Seiten besitzt. Auf Dauer verändert sich deine Wahrnehmung vom Kino. Einerseits finde ich jedes Festival, das es gibt, gut und bewundere die Leute, die das machen. Andererseits entsteht daraus für mich die Frage, was aus den normalen Kinos wird.
Wackerbarth: Ursprünglich wurden viele Festivals gegründet, um Badeorte, wie zum Beispiel Cannes oder Venedig, auch in der Nebensaison zu beleben. Dieses Ziel wurde weit übertroffen. Eine Stadt wie Locarno mit 15.000 Einwohnern hat auf der Piazza Grande ein Openair-Kino mit 8000 Plätzen. Das ist tatsächlich ein Ausnahmezustand. Vor allem, wenn man überlegt, dass das „normale“ Stadtkino stirbt und Betreiber von Programmkinos nur unter härtesten Arbeitsbedingungen überleben können.

Das Essen wird bestellt: Die freundliche Dame stellt noch einmal das Mesa Mehr-Teller-System vor. Allgemeine Freude. Wackerbarth erkennt amüsiert die Menü-Anordnung der Tapas auf der Speisekarte. Die Auswahl dauert etwas länger, da die Anwesenden sich noch mit der saisonal geprägten Karte auseinandersetzen müssen.

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