Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch im Sommer


Delicatessen - Das Berliner Tischgespräch im Sommer 2011

EMERGEANDSEE-Organisator Till Claassen und Regisseur Nicolas Wackerbarth (rechts)

Kein Kritiker ist frei von eigenen Vorlieben.

Till Claassen zu Förster: Wenn du auf Festivals so unheimlich viele Filme siehst, sitzt du in Festival-Jurys? Kristallisieren sich für dich gewisse Kriterien heraus die ein System ergeben, nach denen du Filme bewertest?
Förster: Ich versuche nicht in Muster zu verfallen. Ich stelle es mir sehr schwierig vor, in einer Jury zu sitzen und einen Preis an einen Film aus zwanzig anderen zu vergeben. Letztlich muss die Gruppe gemeinsame Kriterien festlegen. Dazu kommen andere Faktoren, etwa bei einem politischen Film oder ob der Regisseur der Richtige ist, das Genre oder das Thema. Ich versuche Filme nach diesen Maßstäben zu beurteilen und nicht nach einem vorgefertigten Schema.
Ziemnicki: Man befreit sich, klappert aber doch einige Aspekte ab.
Förster: Kein Kritiker ist frei von eigenen Vorlieben. Will man zu impressionistisch schreiben, zu eigen, funktioniert das auch nicht. Man kann sich nicht davon frei machen, schon andere Filme gesehen zu haben und schon andere Texte gelesen zu haben. Ein Kritiker sollte seine Kategorien transparent machen. Man muss Filme an den Maßstäben messen, die sie sich selbst setzen. Etwa welche Mittel der Filmemacher einsetzt, um sein Ziel zu erreichen? Ich vermisse manchmal die Analyse auf dieser sehr einfachen Ebene.
Ziemnicki: Dazu müsstest du deine Kategorien aber eigentlich erst einmal benennen. Bei der Juryarbeit ist es schwierig, das auf einen Nenner einzudampfen. Wie schwer das vielen Jurys fällt, sieht man an der Menge der Preise und den vielen lobenden Erwähnungen.
Wackerbarth: Wahrscheinlich, weil sie schwer zu vergleichen sind. Bisher war ich nur einmal in einer Kurzfilmjury (Anm. bei sehsüchte in Potsdam). Wir hatten uns damals im Vorfeld eine Prämisse überlegt. Und zwar den Film zu finden, von dessen Regisseur wir einen weiteren Film sehen wollen. Das führte dazu, dass kein aufwändig produzierter oder handwerklich perfekter Film gewann, sondern ein Beitrag aus Philadelphia, den der Regisseur mit einfachsten Mittel gedreht hatte. Man hätte aber sicher auch ganz andere Parameter wählen können.
Ziemnicki: Es gibt bei Schauspielern häufig Gruppenpreise. Wobei die eigentlich an die Leute vom Casting oder den Regisseur gehen müssten, die haben die Schauspieler schließlich ausgesucht.

Delicatessen - Das Berliner Tischgespräch im Sommer 2011

Regisseur Jakob Ziemnicki und Kurator Lukas Förster (rechts)

Förster zu Claassen: Wie läuft denn eigentlich bei euch die Festivalfinanzierung? Gerade war das Asian Hot Shots-Filmfestival groß im Gespräch, weil die Probleme mit der Finanzierung hatten.
Claassen: Das Thema Finanzierung ist bei den Festivals ebenso groß, wie Filmförderung bei den Filmemachern. Wir stellen uns gewisse Fragen nicht, weil unser Team komplett ehrenamtlich arbeitet. Wobei wir schon überlegt haben, ob wir den Schritt schaffen sollten und bezahlte Arbeit leisten wollen. Damit stößt man aber in andere Dimensionen vor und muss sich mit Fördergremien auseinandersetzen. Bei der Vielzahl der Festivals in Berlin, knapp 50 bis 60, ist das nicht einfach, gerade bei der traditionellen Förderung.
Ziemnicki: Seit wann gibt es euch?
Claassen: Wir sind im elften Jahr. Ursprünglich fanden wir parallel in Budapest und Berlin statt, sind nun aber seit einigen Jahren nur noch in Berlin. Wir haben im letzten Jahr beschlossen, den klassischen Kurzfilmrahmen zu sprengen und nennen uns seitdem Medienkunst Festival. Wir wollen mehr von dem zeigen, was links und rechts des Kurzfilms passiert. Unser neues Konzept gliedert das Festival in drei Sektionen: den klassischen Kurzfilmwettbewerb, eine Ausstellung und Lectures, die das Thema reflektieren sollen. Die drei Sektionen sind immer an ein gemeinsames Jahresthema gebunden.
Förster: Diese Förderlandschaft ist nicht einfach. Die erste kuratorische Arbeit, an der ich beteiligt war, war die Reihe „debüt – das critic.de Premierenkino“ im Babylon. Also eine Art Festival, aber nicht so konzentriert und mit nur einem Termin am Tag. Das war nicht allein mit Publikumseinnahmen zu stemmen.
Claassen: Es gibt drei Säulen: Publikumsgelder, Fördergremien, bei denen wir als studentische Initiative unterstützt werden und Sponsoren. Privatwirtschaftlich arbeitende Firmen, die uns finanziell oder mit technischem Equipment unterstützen.

1 2 3