Favourites Film Festival 2011: Die Macherinnen im Interview


Filmszene: "Balibo"

Filmszene: "Balibo"

Fast wie im Wahn.

Habt ihr ein oder mehrere Lieblingsfestivals?
Anna:
Natürlich gehen wir beide gerne auf die Berlinale mit ihrer riesigen Auswahl an Filmen. Durch das frühe Aufstehen und das Warten am Ticket-Counter mit hunderten anderen Film-Verrückten entsteht schon so ein besonderes Festival-Gefühl. Für eine gewisse Zeit taucht man in eine total komplexe, laute, bunte Filmwelt ab, bei der die Filme auch alle irgendwie zusammenwirken. Fast wie im Wahn. Die kleineren Festivals schaffen dieses Gefühl auf eine ganz andere Weise. Man fühlt sich eher zu einer Festival-Gemeinschaft zugehörig und ist näher dran.

Paula: Vor allem wenn die Filme nicht nur in regulären Kinos, sondern auch an anderen, besonderen Orten gezeigt werden, wie es zum Beispiel das Moviemiento – Short Films on the Road macht. Deshalb war für uns auch die Auswahl des Festivalortes so wichtig. Wir wollten unbedingt eine Art Festivalzentrum entstehen lassen, bei dem sich alles mehr oder weniger an einem Ort konzentriert. Und natürlich wollten wir unbedingt Filme im Freien zeigen. Hoffentlich spielt das Wetter mit!

Nach welchen Kriterien habt ihr die Festivals ausgewählt, deren Publikumspreisträger nun zu sehen sind?
Paula:
Wir haben uns zunächst eine möglichst breite, bereits vorhandene Festivalliste als Grundlage unserer Recherche gesucht, weil wir von Anfang an ganz kleine und auch größere Festivals mit dabei haben wollten: Die Auflistung der FIAPF (Fédération Internationale des Associations de Producteurs de Films), der European Coordination of Film Festivals und des British Councils und den Guide „Film – Video – Festivals“ vom Vistas Verlag. Auf dieser Grundlage haben wir alle Festivals, die Publikumspreise vergeben, herausgesucht, deren Gewinner recherchiert und uns für unsere Vorauswahl schicken lassen. Ungefähr 250 haben wir insgesamt gesichtet.

Seid ihr mit den Festivals, die nun Filme entsandt haben, Partnerschaften eingegangen?
Anna:
Die Festivals haben wir immer dann kontaktiert, wenn der Kontakt des Publikumspreisgewinners unauffindbar war. Eigentlich waren alle Festivals sehr, sehr hilfsbereit und entgegenkommend. Auch für nächstes Jahr sind diese Partnerschaften sehr wertvoll, da wir sofort leichteren Zugang zu den Gewinnern haben. Alle Festivals, deren Publikumsgewinnerfilm wir zeigen, treten natürlich als besondere Partner auf, weil wir die Filme in direktem Zusammenhang ankündigen. Einige Festivals präsentieren „ihren“ Film auch per Videobotschaft bei uns.

Neben den außergewöhnliche Filmen unterscheidet vor allem das Rahmenprogramm den Festivalbesuch vom „normalen“ Kino-Besuch. Was habt ihr euch einfallen lassen?
Anna:
Wir wollen unserem Publikum vor Allem viele Möglichkeiten geben, selber aktiv am Festivalgeschehen teilzunehmen. Deshalb haben wir zum Beispiel das Filmquiz aus dem SO36 importiert. Da können unsere Besucher ihr Filmwissen testen und in 5er oder 6er Teams Fragen zu Filmklassikern und aktuellen Filmen beantworten.

Paula: Ein paar Mädchen aus Moabit zwischen elf uns 13 sind sogar jetzt im Vorfeld des Festivals schon aktiv. In einem Filmworkshop lernen sie von der Stoffentwicklung bis zum Schnitt alle Schritte der Filmproduktion und drehen unter Anleitung ihren eigenen Kurzfilm. Der hat im Rahmen des Festivals dann seine feierliche Premiere und läuft eingerahmt von den anderen Filmen des Jugendprogramms.

Anna: Und eine der ganz großen Mitmach-Aktionen ist natürlich die Favourite Shorts Night. Hier zeigen wir zwölf Kurzfilme, über die das Publikum per Action-Voting mit bunten Luftballons und Tröten abstimmt. Dann haben wir noch zwei Podiumsdiskussionen, bei denen das Publikum zur aktiven Beteiligung aufgerufen ist: Ein Gespräch über die Funktion und die Rolle von Filmfestivals und im Anschluss an den Film „Balibo“ ein Gespräch mit der Journalistin und Kriegsberichterstatterin Carolin Emcke.

Worin bestand die größte Herausforderung bei der Organisation eures ersten Festivals?
Paula:
Wie das wohl immer beim ersten Mal ist, war eine große Herausforderung die Finanzierung. Vor den ersten Förderzusagen war natürlich das große Zittern angesagt. Unsere Arbeit ist zu 99 Prozent unbezahlt. Immer wieder wurden wir mit der Frage konfrontiert: Wozu braucht man denn noch ein Festival in Berlin, es gibt doch schon so viele. Zum Glück haben wir aber auch ganz viel positives Feedback bekommen, und total viele nette Menschen bereit uns aufopferungsvoll zu unterstützen.

Anna: Die Verhandlungen mit den Weltvertrieben waren auch Neuland für uns, bei sehsüchte hatten wir es ja bisher immer mit Studentenfilmen zu tun und die Entwicklung geht immer mehr dahin Vorführgebühren zu verlangen. Aber auch hier gab es viel Kooperationsbereitschaft und Starthilfe seitens der Weltvertriebe und Produzenten.

Ihr lobt einen ganz besonderen Preis aus, den All-Year-Festival-Pass. Was hat es damit auf sich?
Paula:
Weil wir ein Publikumsfestival sind, wollten wir unbedingt nicht nur einen Preis an den besten Film vergeben, sondern auch einen Preis an den besten Besucher. Der wird man, indem man in seinem Programmheft so viele Treue-Stempel wie möglich sammelt. Wer am Ende die meisten zusammenhat, der bekommt den sogenannten All-Year-Festival-Pass für Berlin. Zwölf befreundete Festivals sind dabei, zu denen man als unser „bester Besucher“ freien Eintritt hat. Unter anderem bei interfilm, bei achtung berlin und bei der russischen Filmwoche. Wenn mehrere Besucher gleich viele Stempel haben, müssen sie auf der Preisverleihung live gegeneinander antreten.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

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