Retrospektive: Akira Kurosawa im Kino Arsenal


Filmszene: Die Sieben Samurai

Filmszene: Die Sieben Samurai

Drunken Angel“ wurde im besetzten Nachkriegs-Japan inszeniert und zeigt es auch so. Der gebrochene Krieger muss nicht nur einen Arzt aufsuchen, sondern auch eine Jauchegrube passieren, die vor Arztpraxis liegt. Zu der Demütigung krank zu sein, gesellt sich eine rituelle Verschmutzung. Allgemein ist der Film in seiner Ästhetik nur als verwahrlost zu bezeichnen. Formal könnte man sagen, er ist neo-realistisch: Slumstraßen in denen Gangster und Party-Girls verzweifelt versuchen zu überleben. Dabei löscht die Kultur der Besatzer die Japanische aus. Ein weiterer kaum bekannter Film Kurosawas ist „I live in fear“ (1955) . Stammschauspieler Toshiro Mifune gibt hier den offenbar verwirrten, alten Industriellen Nakajimi. Besessen davon, mit seiner Familie nach Brasilien zu flüchten, um einer nuklearen Vernichtung zu entkommen, spekuliert seine Familie darauf, ihn zu entmündigen. Jedoch ist von der Eröffnungssequenz an klar, dass seine Angst realistisch ist und das er vielleicht der einzige vernünftige Mensch auf der Welt ist, der die Möglichkeit einer weltweiten Zerstörung akzeptieren will. Die Schlusssequenz zeigt Straßenaufnahmen von arbeitenden Pendlern, geordnet in einem scheinbar sinnlosen Muster. Diese offerierte Lemming-Mentalität wird noch durch den Jazzscore mit Theremin-Versatzstücken verstärkt.

Während die meisten Filme Akira Kurosawas eine kathartische Wirkung haben, so ist „I live in fear“ unglaublich klaustrophobisch. Nakajimi ist starr vor Angst und so handelt er erst, als seine Familie im Begriff ist, ihn zu entmündigen. Er trägt nicht nur das symbolische Gewicht eines möglichen Nuklearkrieges und er einer korrupten Familie – er ist auch ein explizites Symbol für ein Nachkriegsjapan mit schwachen, altesdementen Menschen. Da ihm weder Achtung noch Gehör wiederfährt, tut er das, was Kurosawas Helden halt eben tun: Sie rasten aus. So brennt er seine Fabrik nieder und wird zu dem Wahnsinnigen, für den ihn seine Umwelt hält. Gelegentlich ist Mifune in seiner Rolle hyperdramatisch, ansonsten stellt er wohl die Destillation des Nachkriegs-Japans nach dem Abwurf der Atombombe da. Natürlich hat auch Nakajimi Tuberkulose. Der Komponist Fumio Hayasaka war ein guter Freund und häufiger Mitarbeiter Kurosawas und starb an dieser Krankheit während der Dreharbeiten.

Joris J.

Akira Kurosawa Retrosektive, Kino Arsenal 5. September bis 31. Oktober, Programm unter: www.arsenal-berlin.de

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