7. Russische Filmwoche
Rätselhaftes Russland
Am 30. November, einen Tag vor dem offiziellen Kinostart, feiert „Wyssozki – Danke, für mein Leben“ seine Deutschlandpremiere als Eröffnungsfilm der Russischen Filmwoche im Delphi. Das Biopic widmet sich dem Sänger, Lyriker und Schauspieler Vladimir Wyssozki, der in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts einer bekanntesten und zugleich einflussreichsten Männer der gesamten UdSSR war. Allerdings war er der herrschenden Klasse nicht genehm, weshalb er zwar als Schauspieler beim Film und am Theater arbeiten durfte, aber seine Lieder und Gedichte, in denen er von der Regierung verschwiegene Missstände wie Prostitution und Drogenkonsum anprangerte, nicht veröffentlichen durfte.
Doch seine Botschaften fanden ihre Wege und Wyssozki selbst tat alles dafür, um seine Kunst zu verbreiten. Selbst am Ende seines Lebens trat er, von Drogen gezeichnet, eine eigentlich abgesagt Tour an. In der Sowjetunion war Wyssozki ein Idol. Das Biopic hält das Andenken an ihn und seine bewegte Geschichte hoch. Selbst um den Film ranken sich Geheimnisse: So wissen selbst die Veranstalterinnen der Russischen Filmwoche nicht, welcher Schauspieler dem Superstar sein Gesicht leiht. Vielleicht kann Nikita Wyssozki, Drehbuchautor und Produzent des Films, der diesen in Berlin vorstellen wird, für Aufklärung sorgen.
Fast ebenso rätselhaft wie die Frage nach Wyssozki kommt „Gleichgültigkeit“ von Oleg Fljangolc daher. Der Regisseur, der sein Drama in Berlin persönlich vorstellt, erhielt in diesem Jahr für sein Werk den Hauptpreis beim wichtigsten russischen Filmfestival „Kinotavr“. Die Kulisse seiner Erzählung bildet das Moskau der 1960er Jahre. Interessanterweise stellt er den besonderen schwarz-weiß-Look des Filmes her, in dem er auf oft grobkörnige Aufnahmen aus dem Jahr 1989 zurückgreift und die Handlung immer wieder mit kunstvoll animierten Zwischensequenzen in Anlehnung an russische Cartoons der 60er unterbricht, mit denen er eine zweite Erzählebene erschafft. Im Zentrum seiner Geschichte steht der junge Pjotr, ein Draufgänger, der sein Leben in die eigene Hand nimmt. Gerade wieder aus dem Gefängnis entlassen, wo er versehentlich kurze Zeit festgehalten wurde, ruft er die attraktive Schuscha an, die er beim Tanzen flüchtig kennen gelernt hatte. Er lässt sich nicht davon abhalten, dass die ihm recht eindeutig zu verstehen gibt, kein Interesse an ihm zu haben. Beharrlich verfolgt er sein Ziel und schafft es tatsächlich, mit der Angebeteten anzubändeln. Das Glück trübt allerdings ein alter Bekannter der Geliebten, den Pjotr auch schon kennen lernen musste – vor allem visuell spannender Beitrag, der ein wildes Russland in den 60er Jahren zeigt.
Sehr bewegend, „Das Haus des Windes“ von Wjatscheslaw Zlatopolskij. Im Zentrum des Dramas steht Krankenschwester Taisja, deren Welt erschüttert wird, als sie erfährt, dass ihr seit Jahren vermisster Sohn gefallen ist. Alles was ihr von ihm bleiben soll, ist eine Urne. Vom Verlust schwer getroffen, projiziert sie ihre mütterliche Liebe auf den kleinen Tjoma, einen kleinen, Aids-infizierten Waisen-Jungen, aus ihrem Krankenhaus. Als der Versuch, ihn zu adoptieren, an den Mühlen der Verwaltung scheitert, wagt sie das Äußerste und entführt Tjoma. Für die beiden beginnt ein Kampf, der nicht zu gewinnen ist, geprägt vom unbändigen Willen der von Mutterliebe getriebenen Taisja.
Bis zum 7. Dezember lüftet die Russische Filmwoche manches Geheimnis der russischen Seele und gewährt Einblicke in einen sich auf allen Ebenen rasant entwickelnden, neuen Filmmarkt im Osten, der viele ebenso raue, wie betörende Geschichten hervorbringt.
Denis Demmerle
Russischen Filmwoche 30. November bis 7. Dezember, Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur, Kant Kino, Delphi Filmpalast, www.russische-filmwoche.de