Festivalbericht 27. Interfilm Kurzfilmfestival

Sich treiben lassen


"Sound & Vision" Im Rahmen des 27. Interfilm Kurzfilmfestivals, Foto: Jekaterina Petrova

"Sound & Vision" im Rahmen des 27. Interfilm Kurzfilmfestivals, Foto: Jekaterina Petrova

Einen kleinen Seitenhieb auf die durchaus problematische Förderung von Filmfestivals in der sich ansonsten seiner kulturellen Vielfalt brüstenden Hauptstadtpolitik konnte sich Festivalleiter Heinz Hermanns bei der Eröffnung des 27. Interfilm Kurzfilmfestivals nicht verkneifen. „Das Medienboard Berlin-Brandenburg ist zwar einer der Hauptförderer, aber wir werden dennoch nicht hauptsächlich gefördert„. Hermanns brachte damit genau das auf den Punkt, was viele Filmfestivals in dieser Stadt betrifft: chronische Unterfinanzierung. Dass dieser Sachverhalt dennoch niemanden davon abhält, Berlin tatkräftig zu dem zu machen, was es heute ist, hat auch Interfilm in diesem Jahr eindrücklich bewiesen, mit – und vor allem – überreichlich ehrenamtlichem Engagement, Witz, Einfallsreichtum und einem nicht zuletzt einnehmenden wie anspruchsvollen Programm.

Interfilm hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem der weltweit renommiertesten Kurzfilmfestivals entwickelt und bietet der internationalen Kurzfilmszene alljährlich genau den genuinen Platz, den sie verdient: Die große Leinwand. 50 Programme mit 500 Filmen wurden in diesem Jahr gezeigt, flankiert von zahlreichen Sonderveranstaltungen. Eine Bewährungsprobe für das Auditorium. Denn selbst wenn man auf diesem Festival alles hätte sehen wollen, wäre das ein beklatschenswertes Kunststück gewesen. Die diesjährigen Schwerpunkte „Umwelt“, „Asien-Ost-Süd-Ost“ sowie „Schweiz“ gaben zwar eine grobe Struktur vor, warum sich aber ein spezieller Film in einer Sektion wiederfand, der thematisch auch ( gerade in den Animationsprogrammen) in eine andere gepasst hätte, war nicht immer ganz leicht nachzuvollziehen. Hier mögen sich auch die einzelnen Sektionsleiter oft schwer getan haben, als Zuschauer ist dieser Umstand ungleich komplizierter. Am besten, das gilt im Grunde für jede Interfilm-Festivalausgabe, ist es, sich durch das Programm treiben zu lassen, Themen also nur nach Geschmack auszuwählen, mal mit dem Daumen über das Programmheft zu fahren und dem entgegenzufiebern, was da so kommen mag.

Filmszene: "The Accidental Sea"

Filmszene: "The Accidental Sea"

Und es kamen einige Schwergewichte. Im Umwelt-Fokus „Stadt/Vision“ überlagerten sich enigmatische Arbeiten wie Hendrick Dusolliers „Babel“ mit theatralischen Trickfilmen („Tyger„, Guilherme Marcondes) und den trostlosen Bilder einer dem Verfall preisgegebenen Stadt („The Accidental Sea“, Ransom Riggs). Dusolliers „Babel“ ist ein eindrücklicher Beweis für die Vielgestaltigkeit der Kunstform Kurzfilm. Er bricht die Grenzen zwischen Animation, Dokumentation und Experimentalfilm auf und erklärt dem Zuschauer letztlich nicht, ob er eine Liebesgeschichte zweier Bauern, die ihr Glück in der Großstadt versuchen, erzählt, oder ob seine dokumentarische Gestalt auf eine Gesellschaft blickt, die sich zunehmend in Megastädten ballt. „Hombre Máquina“ von Alfonso Moral blickt auf eine sich zunehmend in Arm und Reich spaltende Welt. Seine Dokumentation zeigt eindringlich die Auswirkungen moderner, globalisierter Gesellschaften, die einerseits für sich die individuelle Entwicklung der Person in Anspruch nehmen, zugleich anderen in einem unausgesprochenen Dogmatismus ein Leben als menschliche Maschine zuweisen. Die Folgen sind ein Leben ohne Perspektive, ein Leben, das von Schmutz, Armut und Krankheit geprägt ist.

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