Alex de la Iglesia über seinen neuen Film „Mad Circus“
Ich denke immer an Superhelden und Superbösewichte
Der spanische Regisseur Alex de la Iglesia („Perdita Durango„, „The Oxford Murders„) stellte unlängst beim Filmfestivals Around The World in 14 Films seinen neuen Film „Mad Cirucus – Eine Ballade von Liebe und Tod“ vor. Wir sprachen mit ihm über seine Inspirationen, Gewalt im Film, das Filmemachen in Spanien und über die Janusköpfigkeit des Clowns.
Señor de la Iglesia, Ihr Film ist im Jahr 1973 angesiedelt, er spielt also zu einer Zeit, in der Sie selbst noch ein Kind waren. Verarbeiten Sie Erinnerungen aus Ihrer Kindheit?
Ich erinnere mich sehr genau an diese Zeit. Sie war wie ein Alptraum. Alles war so abnormal. Rückblickend wirkt alles umso merkwürdiger, da alle sich verhielten, als sei alles ganz normal. Bombenanschläge, Demonstrationen, Terrorismus vor der Haustüre, nahe meiner Schule… Diese indirekte Gewalt um mich herum, war Teil meines Alltags. Niemand spricht mehr über diese Zeit der Diktatur.
Wieso ist das Thema tabu?
Die Leute hatten Angst. Und es liegt an der extremen Spaltung der Bevölkerung. Eine Hälfte war zufrieden mit der Politik, die andere ganz und gar nicht. Die Lösung war, nicht darüber zu sprechen. Das war mein Grund, diesen Film zu drehen. All das Geschehene ist in unseren Köpfen. Mein Film reflektiert diesen Alptraum und treibt ihn den Menschen gleichzeitig aus. Ein Exorzismus. Mein Publikum soll sich in den Clowns, die für ihre Überzeugungen kämpfen, wieder erkennen. Es ist ein sehr politischer Film.
Ihre beiden Hauptfiguren, ein lustiger und ein trauriger Clown, kämpfen wild um eine Frau. Sie sagen: „Ich mache Filme, um einen Schmerz in meiner Seele zu lindern.“ Können Sie den Schmerz beschreiben?
Filmen funktioniert für mich wie eine Schmerz-Therapie. Ich fühle mich jeden Tag wie diese Clowns, während ich meine Rolle spiele. Ich arbeite seit vielen Jahren als Regisseur. Mit „Mad Circus“ sage ich „Stopp!“ Ich versuche meinen Geist mit diesen Figuren, mit diesem Film zu regenerieren. Wo die sich hinter ihrem Make-Up verstecken können, bin ich allerdings ein echter Filmemacher.
Wieso gerade Clowns?
Ich fürchte mich vor ihnen. Die sind nicht sehr witzig. Der schwache Clown ist wie eine Frau. Über ihn kann man sich doch nicht lustig machen. Seine Funktion ist es, Hiebe von dem anderen Clown einzustecken. Clowns machen mich immer traurig. Aber: Clowns stehen immer vollkommen außerhalb jeden Kontextes. Wie sie sich ausdrücken ist nicht lustig, ihre Kleidung oder auch ihre Schminke sind nicht lustig. Eher altmodisch und merkwürdig. Wir sind daran gewöhnt, Clowns so wahrzunehmen, aber warum müssen die so aussehen? Warum die rote Nase? Sind alle Clowns Alkoholiker? Diese roten Ohren… Das nervt alles. Aber genau das mag ich an ihnen. Sie lassen sich nicht in gängige Schemata pressen, weil sie so altmodisch sind. Genau wie ich.
Die Zirkuswelt, in der Sie die Geschichte ansiedeln, steht doch außerhalb von allem Realen. Fällt es Ihnen leichter, in einer solchen Umgebung diesen politischen Film zu drehen?
Für mich war das Spanien damals nichts anderes, als ein trauriger Zirkus. Das Land war am Ende, wie der Zirkus im Film. Sie bauen ihre Zelte in Ruinen auf. In meiner Erinnerung stehen Zirkuszelte immer im Regen oder in der Kälte. Da ist überall Schimmel und der Gestank der Tiere.
Ihr Zirkus ist eine Truppe voller Gescheiterter, egal ob die menschliche Kanonenkugel oder die Hundezüchter, die sich andere Tiere wünschen, sich die aber nicht leisten können. Alle leben von dem einen Star, dem Clown.
Ein Clown, der nur in dieser Welt für irgendjemanden ein König sein kann. Als ich das Buch zum Film schrieb, schrieb ich es über das Kino in meinem Land. Es fehlt immer an Geld und alle arbeiten unter den schlechtesten Bedingungen. Wir haben den Film in acht Wochen unter schrecklichen Umständen gedreht. Ohne Geld, mit bis zu zwanzig Stunden Arbeit täglich. Die Leute kollabierten. Wenn es regnete, war das echter Regen, den wir in den Film einbauten.
Sie erzählen sehr metaphorisch Ihre Geschichte…
… in der Natalia für Spanien steht. Das ist symbolisch eindeutig zu erkennen, spätestens als sie die spanische Flagge als Umhang nimmt.
Wird Spanien jemals diese Zerrissenheit überwinden? Gerade wurde wieder gewählt und die Regierung wechselte von A nach B, während vorher A auf B gefolgt war.
Genau so ist es.
Fehlt es nicht an einer dritten Kraft, einer dritten Partei?
Es wäre fantastisch, wenn es die gäbe. Das Problem ist: Dazu wird es nicht kommen. Genau das ist Aussage, aber auch die Hoffnung des Films. Spanien hat mehr als nur zwei Gesichter. Die Denke, dass man nur für oder gegen etwas sein kann, gilt es aufzubrechen. Der eine ist nicht gleich Feind des anderen, nur weil er nicht dessen Freund ist. Das ist die schlechteste Art zu denken, aber so denkt Spanien. Wir brauchen mehr Parteien. Es gilt den Geist für andere Optionen zu öffnen. Jetzt könnte dieser Moment gekommen sein. Die Spanier folgen keinen Ideen und sind auch nicht abhängig von einer Person, die für eine Gruppe von Menschen und deren Ideen steht. Diese Person braucht man nicht. Im Gegenteil, die Idee der Gruppe steht im Vordergrund. Mit Hilfe des Internets können wir die Art, wie Politik gedacht wird, verändern. Politik ist heute nicht mehr von Personen abhängig. Politiker sind nicht mehr so wichtig.