Eindrücke von der 7. Russischen Filmwoche

Wir wollen Wyssozki


Eröffnung im Kino Delphi, Foto: Jekaterina Petrova

Eröffnung im Kino Delphi, Foto: Jekaterina Petrova

Welche Erwartungen hat man an die Russische Filmwoche in Berlin? Blockbuster, kostspielige Streifen und überfüllte Säle? Das trifft es recht genau: Geboten wurde amerikanische Popcorn-Idylle. Vielleicht etwas kitschiger als das Original. Zur Premiere von „Wyssozki – Danke, für mein Leben“ versammelte sich im Delphi Filmpalast wenigstens die Hälfte aller in Berlin ansässigen Russen. Für eine Sekunde fragte man sich: „Bin ich überhaupt noch in Berlin?„. Der große, rote Saal des Delphi war zudem erschreckend voll, kam man verspätet, so musste man sich mit der letzten Reihe begnügen, fast 100 Meter von der Bühne entfernt. Bevor der Film begann, wurden die Zuschauer mit einer Begrüßung eingeführt, wie es bei großen Festivals ebenso ist.

Diesmal dauerte die Begrüßung geschlagene 40 Minuten. Das Publikum versuchte allerdings bereits nach 15 Minuten mit Zwischenrufen wie „Wir wollen Wyssozki“ und durch aufbrausenden Applaus die Reden zu beenden. Zudem herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Vielleicht lag das aber nur an dem Champagner, der im Foyer ausgeschenkt wurde. Der aufregendste Teil der arg monotonen Reden war der Auftritt von Nikita Wyssozki, Sohn von Wladimir Wyssozki und Drehbuchautor des Films „Wyssozki – Danke, für mein Leben„, der über seinen Vater sprach und die Neugierde auf den Film anstachelte. Nur eine Nacht zuvor feiert „Wyssozki – Danke, für mein Leben„, in Moskau seine Uraufführung. Der Film widmet sich allerdings nur dem letzten Lebensjahr Wyssozkis: seinem Tod, dem jungen Liebehaber, der Sucht nach Morphium und natürlich seinen Konzerten.

Am Sonntagabend dann der kleine Vorführraum, nur halbgefüllt: Das Publikum größtenteils über 30. „Mein Papa ist Baryschnikow“ ist, obwohl in seinem sowjetischen Gestus überspitzt, ein moderner Film und dokumentiert recht gekonnt die erste coole Generation Moskaus, die Jeans bekam, ausländische Popmusik hörte und Touristen anlockte, die sowjetisches Merchandising kauften. Die Handlung ist stringent, keine der Fragen bleibt offen und die Kommerzialität des Streifens zeigte sich ebenso in den zu auffällig platzierten Lachern wie in der Solidarität mit dem Protagonisten, die einem als Zuschauer viel zu leicht gemacht wird. Nervtötend dagegen die Tatsache, dass der Film offensichtlich von einer DVD abgespielt wurde und jemand am laufenden Band E-Mails bekam, die die Vorführung störten. Dem Vorführer sei es gedankt, dass es nicht Skype war.

Montagabend im gleichen Raum war noch weniger los. Dafür dominierte dieses Mal das jüngere Publikum. Gezeigt wurde „Lass uns Liebe machen“ von Denis Jewstigneew, eine romantischen Teenager-Story. Obwohl Jewstigneews Werk im Heute angesiedelt ist, bietet er eine schöne 80er-Jahre-Atmosphäre, getragen von sehr positiv konnotierten Charakteren, die, selbst wenn sie die Bösen spielen, nie bösartig oder grausam wirken. Der Film besitzt einige interessante Wendungen und wenn der Außenseiter am Ende schließlich sein Mädchen bekommt, verlässt man mit leichtem Herzen das Kino. Bei dem episch angelegten Film „Es war einmal eine Frau“ war sogar die erste Reihe bis auf den letzten Platz besetzt.

Filmszene: "Es war einmal eine Frau"

Filmszene: "Es war einmal eine Frau"

Andrej Smirnows Film geht über eine Länge von zwei Stunden und nimmt sich dem Untergang des russischen Bauerntums an. In Anbetracht des leicht verdaulichen Vorgängers „Lass und Liebe machen“ ein durchaus riskanter Spielplan. Zumal das Filmplakat mit seiner überdeutlichen Photoshop-Bearbeitung eher auf einen weiteren Blockbuster deuten ließ. Um so überraschender die düstere Handlung, die sowohl das zaristische Russland als auch den aufstrebenden Sowjetstaat unter Lenin umspannte. Andrej Smirnow erzählt die Geschichte eines „Kulaken“-Dorfes und einer armen Bäuerin, die gegen ihren Willen an einen reichen Bauern zwangsverheiratet wird.

Ihre einfache, gleichwohl grausame Lebensgeschichte offenbart die Qualen des Überlebens nach der Oktoberrevolution. Varvara ist eine gottesfürchtige Frau, deren Alltag bestimmt ist von der Erziehung ihrer beiden Kinder, dem Brotbacken, Kühe melken und dem Destillieren von Alkohol. Während der „Kulaken“- Säuberung unter Stalin erschießen Kommunisten den einzigen Mann, den sie liebt. Es ist der zentrale Moment des Films, mit dem er etwas Beunruhigendes und Beängstigendes erhält. Diese Festival-Ausgabe mit dem russischen Film des Jahres zu schließen, war taktisch klug, doch verlässt man als Zuschauer mit schwerem Herzen und traurigen Erinnerungen das Kino. Und fragt sich letztlich: Das war also die große Revolution, die mit Hilfe von Lenins Propaganda die Gleichberechtigung der Frauen in Russland einläutete?

Jekaterina Petrova