Festivalbericht zum ersten International Comedy Film Festival

Ferienlager, PR-Manager und Geister


Sergio Caballeros "Finisterrae"

Sergio Caballeros "Finisterrae"

Was bei romantischen Komödien der Kuss ist, bei (amerikanischen) Familienkomödien ein Fest stellt, dass muss bei japanischen Komödien nicht unbedingt der rituelle Selbstmord sein. Doch  scheinbar konnte nur so der Konflikt gelöst werden: denn der Samurai stirbt in Würde und das Kind lacht zusammen mit der verwaisten Tochter am Grab von Kanjuro Nomi. Es bleibt nebulös, ob das Ende kitschig, giftig oder weise ist. Wie weit darf die Liebe einer Tochter zu ihrem Vater oder die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn gehen? Wie sehr sollten wir unsere Haut zu Markte tragen? Der Regisseur Hitoshi Matsumoto spielte gut mit den Emotionen des Publikums, in dem er die Illusion von Verletzungen ohne Trauma bediente. Schmerzen, dessen Inszenierung allein den Lachmuskel anregen und darum in letzter Konsequenz auch so befreiend wirken. Dabei ist das Phantasma körperlicher Unversehrtheit das eigentliche Trauma: diese Sichtbarmachung aufoktroyierter Autoaggression, die den Körper als Spielplatz zweckentfremdet. Da jeder Film ein Ende hat, musste auch diese Illusion enden. Vielleicht sollte man Hitoshi Matsumoto dankbar sein, dass er den Zuschauer noch vor Ende des Filmes in die Wirklichkeit zurückholte, in dem er die Illusion durch Pathos zerstörte.

In Sergio Caballeros Film „Finisterrae“ geht es darum, was Geister mit dem Leben nach dem Tod anstellen. Genauer gesagt, geht es um das Verhältnis Limbus – Diesseits, denn in das Jenseits dürfen die zwei verstorbenen Russen nicht. Einem Geist im Limbus ergeht es wie einem Langzeitarbeitslosen im Diesseits. Ihm wird nicht nur das weitere Leben, sondern auch die Identität verweigert und so kann sich dieser Mensch weder bewähren noch versagen. Diese neu entstandene Identität der Verstorbenen als Geister ist eine Art von Migration und eine solche Veränderung ist wie jede Verwandlung ein Prozess, der Komplikationen unterworfen ist. Im Film ist das stereotyperweise aufsteigender Rauch oder Gegenstände, die wie aus dem Nichts auftauchen und dorthin wieder verschwinden. So entweicht amüsanterweise die Kathedrale von Santiago de Compostela einfach so. Die Geister sind dem Jenseits ein Stück näher, dabei lässt der Film offen, ob das Jenseits gleichbedeutend mit unserer Vorstellung von Nichts ist. Bei Dante ist der Limbus eine Art freundliche Vorhölle, in der die Seelen genau genommen tun und lassen können was sie wollen – und so beschließen die Beiden bis ans Ende der Welt zu gehen. Caballeros Humor ist gelegentlich infantil, oft sehr treffsicher, nie aber zu tiefschürfend. Seine Geister sind untote Atzen, die vor Langeweile noch nicht einmal vergehen können.

Speckige Betreuer, lächerliche Uniförmchen, naseweise Gören – das Ferienlager als elternloses Soziotop, das permanent Frohsinn verbreiten will, ist gruselig. Zu einem solchen Soziotop gehört ein Lagerfeuer und eine wirklich gruselige Geschichte. Wenn diese gruselige Geschichten nun aber tatsächlich zum Auferstehen eines gruseligen Monsters führt, tut man am besten was? Klar – natürlich singen. „The Legend of Beaver Dam“ (Jerome Sable) ist in erster Linie ein Musical und da in Musicals nun mal getanzt, gesungen und gepfiffen wird, geht nicht nur dem Monster das Abschlachten leichter von der Hand, sondern der kleine nerdige Danny Zigwitz und seine Freunde übererfüllen das Konzept eines Ferienlagers auf eine bizarre, geschmacklose aber unglaublich lustige Art und Weise. „Disney Club“-Melodien treffen auf Früh-Neunziger-MTV-Metal. Eine dreiste Freddy-Krueger-Kopie kämpft gegen einen Dreikäsehoch, der im Laufe der zwölf Minuten des Kurzfilms immer mehr Ähnlichkeit mit Chucky der Mörderpuppe annimmt. Aber war Chucky nicht immer schon ein verhinderter Harry Potter? Jedenfalls hat der kleine Streifen letztlich zu Recht den Divine Comedy Award des Festivals gewonnen.

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