Rückblick auf die Berlinale Shorts 2012

Kurze Filme, kurze Wertung


Charlotte Rampling wird in "The End" mal eben ausgetauscht.

Charlotte Rampling wird in "The End" mal eben ausgetauscht.

Wesentlich origineller, und obendrein auch noch hochkarätig besetzt mit Charlotte Rampling, bot sich stattdessen „The End“ von Didier Barcelo dar. Der Film verwirklicht wohl den Albtraum eines jeden erfolgreichen Schauspielers – nämlich die Angst, eines Tages austauschbar zu sein und im wahrsten Sinne des Wortes von der Bildfläche zu verschwinden. Als sich Rampling mit ihrer Freundin „Paris by Night“ von 1988 anschaut, muss sie mit Erschrecken feststellen, dass ihre Rolle einfach mittels moderner Technik gegen ein jüngeres Exemplar ausgetauscht wurde. Ihre Suche führt sie schließlich zu dem verantwortlichen Studio, wo man sie zwar immer noch verehrt und schätzt, von der neuen Substitutionspolitik aber nicht abrücken will. Showbusiness kann verdammt grausam sein. Während Rampling also nach ihrer sich entmaterialisierenden Schauspielkarriere fahndete, war man anderswo mit der Suche nach Angehörigen beschäftigt.

Der 13-jährige „Rafa“ landet bei der Suche nach seiner Mutter auf der Polizeistation, wo ihm allerdings kaum geholfen wird und in „Loxoro“ (Claudia Llosa) verfolgt die transsexuelle Makuti die Spur ihrer ebenfalls transsexuellen Tochter Mia, die in den Straßen von Lima spurlos verschwunden ist. Der Zuschauer weiß schon von Beginn an, dass Mia in die Hände von brutalen, intoleranten Triebtätern geraten ist, die sie missbrauchen und gewaltsam Mias Männlichkeit wiederherstellen wollen. „Loxoro“ berichtet von Menschen, die mutig genug sind, Geschlechtergrenzen in ihrem eigenen Interesse zu überwinden, auch wenn Intoleranz und Abscheu in ihrer Umgebung an der Tagesordnung sind.

In den Reigen der Genderthematiken reihte sich auch „Being Bradford Dillman“ von Emma Burch ein, der sein deutsches Leinwanddebut allerdings schon vor kurzem beim British Shorts Festival in Berlin erlebte. In Burchs Animationsfilm beschließt die kleine Molly, dass Jungs irgendwie total doof sind, weshalb ihr ihre Mutter den Floh ins Ohr setzt, sie sei eigentlich als Junge auf die Welt gekommen – was bei Molly mit der Zeit nun doch Sympathien für ihre neu entdeckten Geschlechtsgenossen schürt.

Seine Zuschauer sinnlich beflügeln wollte schließlich „Erotic Fragments No. 1, 2, 3“ von Anucha Boonyawatana. Mit dem Point of View einer Handkamera konnte man hier den Protagonisten begleiten, wie dieser ungeniert Taxifahrern und Bauarbeitern auf der Straße den sexuellen Vollzug anbietet, was auch bereitwillig angenommen wird. Die Vorlieben sind da ja äußerst unterschiedlich, aber als die Kamera sich schließlich auf eine ziemlich aus der Form geratene, von oben bis unten tätowierte Bulldogge von einem Mann richtet, wird einem die unterschiedliche Definition von Sexappeal erst so richtig bewusst. Erotisch ist das irgendwie nicht. Wo ist nur dieser Buh-Rufer, wenn man ihn mal braucht? Der hat wahrscheinlich lieber bei anderen Filmen gestänkert, die eigentlich ein „Whoo!“ verdient hätten.

Alina Impe

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