Filmreihe „Papas Kino?“ im Zeughauskino

Ausdruck der Rebellion


Filmszene: "Die Halbstarken", Foto: Kinowelt

Filmszene: "Die Halbstarken", Foto: Kinowelt

Nach Ende des zweiten Weltkriegs waren die Väter als solche gescheitert. Im Krieg ihrer Autorität enthoben und in der chaotischen Nachkriegsphase ihres Selbstbewusstseins beraubt, blieb Ihnen nicht viel mehr als Heinz Erhardts „Hüpfende Kommas“. Ihre Söhne (und Töchter) verfassten darauf hin am 28.2.1962 das „Oberhausener Manifest“. Eine Absichtserklärung von 22 Zeilen, die von 26 Cineasten gegengezeichnet wurde. Papas Kino war damit tot. Papas Kino, das war das eskapistische und anspruchslose Kino, das Kino der Langeweiler und Routiniers. Anlässlich des 50. Jahrestags der Unterzeichnung des Oberhausener Manifests unterzieht die Reihe „Papas Kino?“ im Zeughauskino vom 1. April bis 1. Mai das westdeutsche Filmwesen am Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre einer Prüfung. Persönlichkeiten wie Robert Siodmak überging dieses Manifest nämlich sträflich. Dazu müssen wir allerdings in das Jahr 1929/30 zurückgehen. Genauer gesagt zu den Dreharbeiten von „Menschen am Sonntag„. Ein Spielfilm, der wie ein Dokumentarfilm ausschaut und die Kinematographie in den letzten Jahren der Weimarer Republik sehr unerwartet um eine realistische Komponente bereicherte – mit einer Neugier und Einfühlsamkeit  für die alltäglichen Dinge, die bis zu diesem Zeitpunkt im deutschen Film unbekannt gewesen waren. Ein Glücksfall, an dem vier junge, bis dahin namenlose Cinéasten beteiligt waren – Jahre später werden sie in Hollywood internationales Ansehen erlangen: der Schauspieler, Regieassistent und Cutter Robert Siodmak, der hier erstmals eine Filmregie übernahm, der Wiener Bühnenbildner Edgar G.Ulmer, der österreichische Journalist und Drehbuchautor Billie (später Billy) Wilder sowie, als Assistent, Fred Zinnemann.

Ihre Idee, am Kneipentisch ausgeheckt, war einfach: Man wollte mit vier jungen Laiendarstellern an realen Schauplätzen einen Berliner Sommer-Sonntag im Grünen drehen. Geschichten vom Glück der arbeitsfreien Zeit – und vom Abschied, wenn der Sonntag zu Ende geht und nur die Vorfreude auf das nächste Wochenende bleibt. 1955 kam Siodmak aus dem amerikanischen Exil zurück und drehte 1956 „Mein Vater der Schauspieler„.  Der Kritiker Fritz Göttler vermerkte 1993 dazu,  dass dieser Film „nichts weiter als das Dokument einer Depression, einer Besessenheit, die sich den Blick auf die Welt verschließt und das Weiterleben nicht mehr riskieren will“ ist und damit nun alles andere als Wohlfühlkino darstellt.  Ebenso interessant ist die Wiederentdeckung des Streifens der Adenauer Zeit „Die Halbstarken„, der seinen Elan aus der Zusammenarbeit des Schauspielers Horst Buchholz und des Regisseurs Georg Tressler gewinnt. Horst Buchholz entstammt der Lost Generation der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Geboren am 4. Dezember 1933 in Berlin als Sohn eines Schusters musste er früh Geld verdienen, weil der Vater in Kriegsgefangenschaft war.

Mit 14 begann er als Statist auf dem Theater, 1950 verließ er die Schule und finanzierte durch kleine Rollen und Radio-Arbeiten den Schauspielunterricht. Georg Tressler, ein ehemaliger Dokumentarfilmer, der sich stets einen realistischen Blick bewahrte, wurde der Regisseur, der Buchholz als vollständig zeitgemäßen Charakter entdeckte und seine Leinwand-Persona entwickeln ließ. Tressler sah den jungen Schauspieler so, als würde er ihn beobachten, nicht so, als würde er ihn inszenieren. Horst-Buchholz-Filme sind Filme über den Raum, über prekäre Situationen, die eine merkwürdige Leere hinterlassen. Diese Halbstarken, die an ihren schwachen, kranken  und schuldbeladenen Vätern litten, hätten die neue Generation bilden können und scheiterten, weil es kein sinnvolles Projekt für ihre Energie und ihren Zorn gab. Deshalb traten die Kleinbürger an ihre Stelle. Wie James Dean wurde Buchholz zum Star, weil er zugleich Ausdruck der Rebellion und ihres Scheiterns war. So bleibt nichts weiter zu sagen, als das das „Oberhausener Manifest“ gescheitert ist und seine 22 Zeilen Inhalt so halbgar waren wie die Angriffe auf einen Universitätslehrer für Philosophie mit Namen Theodor W. Adorno einige Jahre später am Frankfurter Institut für Sozialforschung.

Joris J.

Papas Kino?, 1. April bis 1. März, Zeughauskino, www.dhm.de