Winnetou-Retrospektive im Babylon Mitte

Wahre Blutsbrüder


Eilen durch die nordamerikansiche Prärie: Winnetou und Old Shatterhand

Eilen durch die nordamerikanische Prärie: Winnetou und Old Shatterhand

Indianer? Doch, die kennt man als deutscher Fernseh- und Kinoschauer. Da gab es doch früher in der Kindheit diese Karl May-Verfilmungen mit diesem altruistischen und doch so heldenhaften Apachenhäuptling Winnetou. Karl Friedrich May, dieser Sonderfall der deutschen Literatur, wird am 30. März 100 Jahre tot sein. Das Kino Babylon widmet ihm am 24. und 25. März als auch vom 30. März bis 1. April eine Winnetou-Retrospektive, bei der neben Pierre Brice auch die Teilnahme von Komponist Martin Böttcher erwartet wird. Außerdem stehen die Chancen nicht schlecht, dass „Santer“, also Mario Adorf, vorbeikommt, denn der ist an diesem Wochenende ohnehin in Berlin, um an der Akademie der Künste über seine Rollen im deutschen Film zu sprechen, als auch aus seinem neuen Buch vorzulesen.

May teilte seine literarischen Figuren stets in zwei Lager: Gute und Böse. Zwischenabstufungen suchen wir bei ihm vergebens und es ist diese klaustrophobische Vertikalität, die ihm eine Millionenauflage und treue Leser zusicherte. Außerdem sollte man anmerken, dass seine Figuren eben nicht die große Wahl haben. Falls sie sich für das Böse entscheiden, können sie bestraft werden und/oder physisch verschwinden. Die Normen der Guten werden selten bis nie akzeptiert und obwohl wir zu Recht einen abgrundtiefen Widerwillen gegen feige Mörder empfinden, so sind sie scheinbar die einzigen Gestalten, die im Mayschen Universum außerhalb der Gesellschaft stehen. Freilich, ihr in Frage stellen ist begrenzt, erkennbar falsch, wertet sie als Böse auf und reicht nie bis zu den Wurzeln des Systems. So erlebt Winnetou am 24. März in Teil I bis III seine größten und entscheidendsten Kämpfe, stirbt schließlich und steht wieder zum „Schatz am Silbersee“ auf. Auch Karl Mays zweitbedeutendste Schöpfung, Kara Ben Nemsi ,ist ein ähnlich eindimensionaler Weltverbesserer. Allerdings sind die Verfilmungen um ihn oft eine ganze Ecke zotiger, dreckiger und freiwillig komischer als die Winnetou-Vehikel. „Die Sklavenkarawane“ und „Der Löwe von Babylon“ versprechen also die heimlichen Höhepunkte dieser Winnetou-Retrospektive zu werden.

Das Leben der Helden Mays lässt sich beschreiben als ein Sich-Fortbewegen im unwegsamen Gelände. Sie sind Experten für den Konflikt in der terra incognita, dem Heldenraum schlechthin. Der Schauplatz ihrer Sinnstiftung ist das wilde, noch nicht kultivierte Terrain. Prärie wie nordafrikanische Wüsten sind hier nur Synonyme für amoralische Orte und karge Vegetationsarmut. Außerdem stellen sie das Reich für ungesühnte Verbrechen und gelöschte Namen. Nur ein Held kann einen bleibenden Namen in den Sand einschreiben und nur wenige außer Karl May konnten Leser mit Abenteuergeschichten aus Regionen der Welt begeistern, die sie niemals in ihrem Leben sahen.

Joris J.

Programminfos unter www.babylonberlin.de