Immer Donnerstags: Shortcutz

Kurzfilme bei Wein und Kippe


Heimelige Atmosphäre in der Filmkunstbar Fitzcarraldo, Foto: Shortcutz

Heimelige Atmosphäre in der Filmkunstbar Fitzcarraldo, Foto: Shortcutz

In Berlin beginnt das Wochenende ja bekanntlich oft schon am Donnerstag. Wer dann nicht wie gewohnt in seiner Stammkneipe gelangweilt am Tresen hocken und stumpf in sein Glas gucken will, kann alternativ in der Filmkunstbar Fitzcarraldo in Kreuzberg seinen Blick stattdessen auf die Leinwand richten – und das sogar mit schmalem Geldbeutel, denn der Eintritt ist frei: Jeden Donnerstag lädt dort das Shortcutz Berlin-Team zum Screening vor Publikum von zwei Wettbewerbsbeiträgen, einem Guest Short und einem Special Guest-Beitrag in heimeliger Atmosphäre zwischen Regalen mit Independent- und Klassiker-DVDs ein. Vormals noch als Filmkunst im Roderich in der Glogauer Straße vertreten, ist die Filmkunstbar in der Reichenberger Straße nun ein fester Anlaufpunkt für Cinephile, Filmemacher und ebenso nikotinsüchtige Nostalgiker, die den längst ausgestorbenen Raucherkinos hinterher trauern, denn hier darf man das noch.

Angefangen hat aber alles schon im Februar 2011, als ein Portugiese das Shortcutz-Konzept nach Berlin brachte und sich die deutsche Hauptstadt in das Kurzfilmnetzwerk mittlerweile bestehend aus Lissabon, Porto, London und Madrid einreihte. Besagter Portugiese ist zwar nach erfolgreicher Mission zurück in seine Heimat entschwunden, dafür stemmen nun aber die vier Filmliebhaber Rita, Vincent, Milena und Rodrigo gemeinsam das Projekt. Während zum Zuschauen praktisch jeder eingeladen ist, sind für die Einreichung der Beiträge aber ein paar Regeln vorgesehen, denn neben einer Maximallänge von 18 Minuten und einer bisherigen Lebensdauer von höchstens 24 Monaten muss der Film zumindest in irgendeiner Form eine deutsche Produktion sein. Umso freier gestaltet sich stattdessen die Auswahl in Genre oder Stil, denn hier ist – ob nun Kurzspielfilm, Experimentelles, Dockumentary, Mockumentary oder Videoinstallation – wirklich alles erlaubt, solange es sich als Bewegtbild versteht.

Dementsprechend facetten- und überraschungsreich bot sich also das Programm im vergangenen Monat März dar: Mit unübersehbaren Referenzen zum Body-Horror erzählte beispielsweise Heik Büchsenschuss mit „Mein Schatz, es tut mir so leid“ die Geschichte von einem Typen, der fasziniert in den Eingeweiden von seinem zuvor vergifteten Opfer rumkramt und dabei von seiner Freundin erwischt wird. Dieser Film entstand im Rahmen des letztjährigen 48 Hour Film Project und wird im Mai auch in Cannes zu sehen sein. Wesentlich sanfter plätscherte dagegen die Kurzreportage „Nächster Halt“ von Mathias Luna vor sich hin, die erst im Januar diesen Jahres im Rahmen des British Shorts-Festivals aus einem Workshop hervorging. Umso deutlicher wurde hier aber die kulturelle und soziale Nähe zur Hauptstadt, wenn Hausfrauen, Punks, Arbeitslose oder Rentner in der S-Bahn von ihrem Alltag, ihren Plänen oder im Einzelfall von ihrer letzten Therapiesitzung berichten, während draußen wahlweise das Tempelhofer Feld oder das Regierungsviertel im Sonnenuntergang vorbeirauschen. Der Beitrag „Rette sich, wer kann“ (Daniel Seideneder), in dem ein Rettungssanitäter und sein Zivi chaotisch durch die Pampa heizen, Senioren wiederbeleben und dabei von Schmeißfliegen terrorisiert werden, konnte sogar mit deutscher Schauspielprominenz in Form von Timo Dierkes punkten. Dierkes wirkte 2001 nebst Moritz Bleibtreu schon in Oliver Hirschbiegels „Das Experiment“ mit – damals allerdings noch als sadistischer Strafvollzugsbeamter Schrägstrich Elvis-Imitator. Regelrecht philosophisch wurde es schließlich mit „Brief eines Mannes an einen Mann“ (Fjodor Donderer), in welchem postalische Lebensweisheiten aus dem Off vorgetragen wurden, während der Protagonist im Bild kläglich an diversen Suizidversuchen scheiterte.

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