Neu in der Stadt: Northzone

Wie der Norden klingt


Zwischen Konsumkritik, Zukunftsangst, Überwachungsstaat und Apokalyps: Regisseur Tarik Saleh zeichnet in seinem Animationsfilm eine düstere Zukunft Schwedens.

Zwischen Konsumkritik, Zukunftsangst, Überwachungsstaat und Apokalypse: Regisseur Tarik Saleh zeichnet in seinem Animationsfilm eine düstere Zukunft Schwedens.

Magisch entrückt, verwaist und einsam liegt der Norden. Die See ist rau, der beißende Wind treibt die Gischt in die Fjorde. Bevölkert von Trollen und Feen ist die Landschaft ein Ort der Kontraste, in der die Erde kocht und der Boden friert. Vulkane spucken Lavafelder, die zu Mondlandschaften versteinern und am Himmel offenbaren Nordlichter Prophezeiungen. Diesen immerwährenden Kampf der Elemente vertonte Björk erstmals in den frühen 90ern. Wehmütig und sehnsüchtig ließen circa ein Jahrzehnt später Saybia, die Kings of Convenience, Röyksopp, Sigur Rós oder Ane Brun den Norden klingen. In der Zwischenzeit ist das Verlangen nach nordischer Melancholie aber auch nach Electro-Pop aus der Gegend weiter gewachsen und Berlin hat sich, wie Northzone Festivalleiterin Gudrun Matilde Holz sagt, „zum bevorzugten Exil skandinavischer Künstler entwickelt“. Unzählige Bands bespielen die Clubs und werden von einer wachsenden Fangemeinde gefeiert. Perfekt für ein Festival, „das Synergien zwischen Filmkunst und Indiekino“ aus der Region freisetzen will.

Northzone bringt vom 4. bis 8. April den Norden in Film und Musik nach Berlin. Mit zwölf Filmen und zwölf Bands gibt das Festival sein Debüt. Darunter der herausragende schwedische Animationsfilm „Metropia„. Schwedens Graffiti-Künstler Tarik Saleh übernahm die Regie für den Film und zeichnete kafkaesk düstere Zukunftsvisionen von orwellscher Poesie. Ein Queerschläger im Programm ist mir Sicherheit die aus dem Jahr 2009 stammende und vielfach preisgekrönte Dokumentation „The Regretters„. Das Erstlingswerk des Schweden Marcus Lindeen begibt sich auf die Spurensuche nach Gerndernormen und –klischees, die zwei Transsexuelle auch nach mehreren Geschlechtsumwandlungen offenbar nicht ablegen können. Nie der Norm zu entsprechen wurde zur unerträglichen Last für Orlando und Mikael(a) und erschwert bis heute ihre Identitätssuche. Ein wichtiger und anrührender Film aus der Region. Neben den Satiren, Tragikkomödien und Dramen im Filmprogramm gibt es eine Reihe von Filmdokumentationen, die das Line-up der Konzertabende ergänzen. Zu den Highlights zählt hier der zweite Konzertfilm der isländischen Band Sigur Rós, „Inni„.

Während ihr erster Film „Heima“ mehr die Wurzeln ihrer Musik frei legte, konzentriert sich die neue Dokumentation ausschließlich auf die Live-Performance der Band. Auch die charmante Musikdoku „Backyard“ sollte man sich vormerken, zeigt sie doch das aktuelle Best-Of der isländischen Indieszene. Am kommenden Mittwoch eröffnen Le Corpse Mince de Franҫoise (LCMDF) aus Helsinki zusammen mit Millenium das Nortzone Festival im Festsaal Kreuzberg. Das Arte Magazin Tracks sagte unlängst über LCMDF: „In ihren Songs klingen sie, als hätten sich Whigfield, Chicks on Speed und M.I.A. zum Mädelsabend verabredet.“ Der perfekte Mix also, um im Stammlokal der Scandinavian Nordic Indie-Pop Partys den Auftakt zu geben.

Text: SuT

Update:

Das Festival gab gerade bekannt, dass der Auftritt von Le Corpse Mince de Franҫoise (LCMDF) im Festsaal Kreuzberg leider ausfallen muss.
Das finnisch-deutsche Duo MILLENIUM springt in die Bresche. Beginn: 20 Uhr

Northzone, 4. bis 8 April u.a. Kino Babylon, Festsaal Kreuzberg, Line-up und weitere Infos zu Filmen und Gästen unter http://northzone.de