Kolumne: Einsvierundzwanzig
Denkmal gebaut!
Denkmäler versauen die Liebe, das weiß spätestens seit „Wir sind Helden“ jeder Vollidiot. Zumindest, wenn er der Sängerin Judith Holofernes Genuschel verstehen konnte. Wer ein Denkmal bekommt, ist in der Regel nicht mehr am Leben und – in Stein gehauen – den Blicken und Sichtweisen der Überlebenden widerspruchslos ausgesetzt. Das will ja keiner, denke ich mir, und bin deshalb erstaunt über das Denkmal, das sich ausgerechnet die lebendige Berliner Party-Szene mit gleich zwei Dokumentarfilmen setzt: „Berlinized – Sexy An Eis“ und „Bar 25„.
Der eine Streifen führt zurück in die End-80er und 90er Jahre des gerade nicht mehr geteilten Berlins, als man aus jeder Garage eine Strandbar machen konnte. Einigermaßen interessiert haben mich noch die Aussagen der Zeitzeugen, die von der Einzigartigkeit einer Ära reden, in der täglich die ungewöhnlichsten Begegnungen passieren konnten. Angetrieben durch die Kräfte, die zwei aufeinanderprallende Systeme freigesetzt hatten, schien für einen Moment alles denkbar. Wo immer man sich auf die Suche machte, fand man Raum, sich neu zu erfinden. Das war sicher sehr aufregend. Damals. Weniger aufregend, jedenfalls nicht so sehr, wie der Film glauben machen will, finde ich dagegen die Geschichte der Macher um die Bar 25. Lustig war das schon, das Leben im selbstgebauten Party-Zirkus, und schade ist das auch mit der Mediaspree und so. Aber ganz ehrlich: Historisch? Ist das einen ganzen, abendfüllenden, 95-minütigen Film wert?
Wie ich oben schon erwähnte, werden Denkmäler ja meistens posthum errichtet, es sei denn, man setzt sich noch zu Lebzeiten eines, so wie Riester mit seiner Rente oder Rammstein mit ihrem Mausoleum vor der O2 World. Im Falle der Berliner Party-Szene tun die Akteure gerne so, als sei sie jetzt tot. Sätze wie: „Das wird es so in Berlin nicht mehr geben.“, fallen z.B. in „Bar 25“ und werden ernst gemeint. Woher will man das denn bloß wissen? Die Welt ist groß und bunt und alles was hier passiert, passiert irgendwo anders auf diesem Erdball auch gerade. Aber wenn man schon dabei ist, sich ein Denkmal zu errichten, dann muss man sich auch totsagen, das versteh ich schon.
Schön ist immerhin, dass alle Protagonisten beider Filme am Denkmalbau freiwillig beteiligt sind. Das unterscheidet sie von den Toten und ihren Denkmälern. Knut der Eisbär zum Beispiel wurde nicht gefragt und im Sommer baut ihm der Zoo eine Bronzestatue. Das berührt mich wirklich zutiefst, zumal der Bär schlafend dargestellt werden soll. Wie unschmeichelhaft. Oder nehmen wir Herrn Wowereit, der ist zwar nicht tot, setzt sich aber mit dem Großflughafen Berlin Brandenburg gerade äußerst unfreiwillig ein Denkmal in Sachen Schlampigkeit und Fehlplanung. Aber das ist jetzt vielleicht zu metaphorisch.
Halten wir es lieber mit der Rentnerin Margarete Ogaza, und erklären Dinge für tot, die wirklich verschwinden sollten. 1999 überreichte die Künstlerin dem Bürgeramt Spandau eine Pferdeskulptur, um dem Amtsschimmel im Spandauer Rathaus ein Denkmal zu setzen. Dem hat sie mal so richtig die Liebe versaut.
—————
Die Autorin Patricia Schwan betreibt das Programmkino-Blog „Off-Kino Berlin“ mit wöchentlichen Tipps zum Berliner Off-Kino-Programm und Artikeln zu aktuellen Independent Filmen. www.offkino-berlin.de