Naguib El-Rihani-Retrospektive im Kino Babylon

Der Chaplin des arabischen Films


"Everything is fine", die erste arabische Komödie des Tonfilmzeitalters, zeigt einen außergewöhnlichen Tag im Leben von Salama, gepsielt von Naguib El Rihani.

"Everything is fine", die erste arabische Komödie des Tonfilmzeitalters, zeigt einen außergewöhnlichen Tag im Leben von Salama, gepsielt von Naguib El Rihani.

Das Komische ist Scheitern auf Probe. Man lässt jemanden stellvertretend fortfallen, im Schnitt einen Clown, das ist sein Job. Ein guter Clown und Komödiant ist einer, der in seinem Scheitern zeigt, dass es nicht ihn allein angeht, dass er viel mehr ist als ein Objekt der Schadenfreude. Er zeigt, wie ein komisches Subjekt an einer komischen Welt verendet. Die Grundierung des Lachens ist die Tragik und der Augenblick des Entsetzens. Was gibt es nicht alles für Möglichkeiten zum Verbaseln – am eigenen oder anderen Geschlecht, an der Arbeit und in der Sprache, an Natur, Wissen und Kultur, an der Bekleidung. An den Dingen im Allgemeinen eben, am Funktionieren in den sozialen und am Bedienen der mechanischen Maschinen dieser Welt.

Vom 8. Juni bis 22. September präsentiert die Botschaft der Arabischen Republik Ägypten eine Retrospektive zum „Vater der Komödie“ und „Charlie Chaplin des arabischen Films“ Naguib El-Rihani.  Geboren wurde er 1889 in Kairo und besuchte dort eine französische Schule. Sein komödiantisches Talent wurde zuerst von seinem Freund, dem Regisseur und Schauspieler Aziz Eid entdeckt und gefördert. Nach mehreren kleineren Rollen konnte er schließlich mit seinem Film „Everything is fine“ (1938) von Niazi Mustafa die Herzen der Zuschauer gewinnen. Die Figur des Efendi, die er in zahllosen Filmen spielte, traf bei einem breiten Kinopublikum auf Begeisterung. Das politische Klima, in dem Naguib El-Rihani aufwuchs, war denkbar schwül. Das 20. Jahrhundert war, anders als es das 21.Jahrhundert noch für eine Weile zu bleiben verspricht, kein Jahrhundert des globalen Dschihad. Wohl dagegen das ihm vorausgegangene 19. Jahrhundert. Nicht bloß unter den Arabern des oberen Niltals, sondern von Westafrika bis in die Wüsten der arabischen Halbinsel, vom Iran und Indien bis nach Südostasien: Entfacht durch soziale, wirtschaftliche und politische Unzufriedenheit, wurde der Islam militant. Nach Jahrhunderten obrigkeitlicher Korruption und Dekadenz, konnte scheinbar allein Gott Abhilfe versprechen. Die Eröffnung des Suezkanals 1869 hatte Ägypten weltpolitisches Gewicht verliehen. In der Regierungszeit des Khediven Ismail Pascha erlangte das Land Wohlstand, zu verdanken vor allem dem amerikanischen Bürgerkrieg, der den Baumwollpreis in märchenhafte Höhen trieb. In der Folge hatte am Nil allerdings der permanente Staatsbankrott Einzug gehalten und Ägypten fand sich den westlichen Gläubigern ausgeliefert. 1879 setze man Ismail schließlich ab und durch das Machtvakuum begünstigt, sahen 1882 die nationalistischen Kräfte ihre Stunde gekommen. In einigen aufreibenden Kämpfen übernahmen schließlich die Briten bis in die 1950er Jahre hinein die Kontrolle über das Land. Mehr als genug Stoff für eine Farce, den Rohdiamten der Komik.

Eröffnet wird die Retrospektive durch Mohamed Kamel El-Kalioubys Dokumentation „Naguib El Rihani – Bid you Farewell“ (2008), in dem die Tochter des Komikers, Gina Rihany, Einblicke in die privaten Seiten ihres Vaters gewährt. Es folgen am 9. Juni Niazi Mostafas „Sidi Omar“ (1941) und am 15. Juni Anwar Wagdis „Flirtation of Girls“ (1949), in der El-Rihani zusammen mit Laila Mourad als liebeskranker Arabischlehrer Hamam zu sehen ist. Die Komödie ist neben dem Horrorfilm eines der dienstältesten Filmgenres. Die manische Produktion beider ist die Kehrseite einer Gesellschaft, die als Ganzes so gut funktioniert, weil in ihr so viele Subjekte scheitern. Damals wie heute. Wenigstens blieb einem damals die Entblößung erspart.

Joris J.

Hommage an Naguib El-Rihani, Kino Babylon, 8. Juni bis 22. September, Programm unter www.babylonberlin.de