Preisverleihung beim Osborne-Kurzfilmfestival 2012

Daniel, Daniel und der Stier in mir


Schauspieler, Gastronom, Juror, Werbegesicht und Schirmherr Daniel Bruehl inmitten der Gewinner, Foto: Gregor Anthes

Schauspieler, Gastronom, Juror, Werbegesicht und Schirmherr Daniel Brühl inmitten der Gewinner, Foto: Gregor Anthes

Es ist immer wieder beeindruckend, wie unterschiedlich die Orte sein können, die sich Filmfestivals zur Austragung des Wettbewerbs und der Gewinnerkür suchen. Vor allem im Raum Berlin scheint praktisch jeder Ort eine geeignete Festivallocation zu sein, seien es nun reguläre Programmkinos, riesige Festsäle, Hochschulen, abrissreife Häuser, Kneipen, Jugendzentren oder wie im folgenden Fall beschrieben: Eine Tapas-Bar in Berlin-Kreuzberg. Letztere ist sicherlich nicht dem Zufall geschuldet, gehört die Bar Raval doch dem Schauspieler Daniel Brühl, der am gestrigen Abend seiner Fünffachfunktion als Gastronom, Juror, Werbegesicht, Schirmherr und prominentes i-Tüpfelchen bei der Preisverleihung des Osborne Kurzfilmfestivals gerecht werden musste. Für die, dies es vergessen haben: Die Rede ist nicht von der Chaosfamilie Osbourne, die noch vor Jahren MTV-Jünger mit ihrer Realitysoap begeisterte, Osborne ist ein spanischer Wein- und Spirituosenkonzern.

19.30 Uhr, Kreuzberg im Abendlicht. Kein Brühl in Sicht. Zum Glück habe ich mir für diesen Fall einen anderen Daniel mitgenommen, seines Zeichens Autor für diverse Musikmagazine. Der meckert als erstes über die zu kurz geratenen Strohhalme in den Welcome-Drinks. Ruhig Blut Daniel, das wird schon. Ganz im Gegenteil wurde mit dem Motto des Festivals „Der Stier in mir“ den Wettbewerbsteilnehmern allerdings nicht zu einem entspannten Gemüt geraten, hier ging es wohl mehr um die Freisetzung individueller Kräfte und Energien einerseits – und um die etwas aufdringliche Unterbringung des Stierlogos von Osborne in den Beiträgen andererseits. Da verwundert es auch nicht, dass den Anfang Jörg Herlyn macht, der Geschäftsführer von Osborne in Deutschland, der sich um kurz nach 20 Uhr vor einen gigantischen Papp-Stier stellt und mit einer reduzierten PowerPoint-Präsentation ein paar Schmankerl aus der spirituösen Erfolgsgeschichte erzählt. Als mein mitgebrachter Daniel den Welcome-Drinks trotz zu kurz geratener Strohhalme eine zweite Chance geben will, betritt endlich der Daniel des Abends die Bühne. Mit den Händen in den Hosentaschen und einem aufgeknöpftem Hemd mit Silberkettchen und dezentem Brusthaar macht Herr Brühl einen entspannten und sympathisch-unprominenten Eindruck. Zu ihm gesellt sich der Juror und Animationsfilmemacher Jim Lacy, der im nächsten Leben wahrscheinlich Stand-Up-Comedian wird, wie mich sein extrovertiertes Karo-Outfit und sein humoristischer Unterton bei der Entscheidungsverlesung mutmaßen lassen.

In der Kategorie „Animation“ machte die „Der Stier in mir“-Variante von Daniel Krebs den zweiten Platz. Die Jury war sich hier allerdings nicht sicher, ob der experimentelle Stop-Motion-Film einen Nahost-Konflikt oder eine Liebesbeziehung thematisiert. Osborne-Brandy saufenden Strichmännchen („Die Explosion„, Annette Hein) folgten auf dem dritten Platz. Gewonnen hat dann aber der gut 30 Sekunden lange Beitrag „Tora de Osborne“ (Philipp Artus), in dem ein Stier auf einem Stier galoppiert. Naja. Spannender waren da schon die Gewinnerfilme der Kategorie „Film“. Als Drittplatzierte konnte sich Claire Walka mit ihrem Beitrag „Ich fordere die Freiheit mit Gebrüll“ freuen, die sich offenbar nicht scheute, ohne Unterbrechung in der U-Bahn, vorm Bürgeramt oder vor einer Polizeiwache lautstark rumzubrüllen. Merkwürdig war nur, dass eine im Clip mit raspelkurzen Haaren krakeelende Filmemacherin nur Sekunden später mit Langhaarfrisur die Bühne betrat. Entweder kennt Frau Walka einen Friseur mit magischen Fähigkeiten, den sie mir unbedingt empfehlen sollte, oder der Beitrag ist schlichtweg mindestens zwei Jahre alt und wurde zu Wiederverwertungszwecken aus irgendeiner verstaubten Schublade wieder hervorgekramt.

Auf dem zweiten Platz landete eine Art moderne Fassung von Rotkäppchen mit Capote im Wald („Aliento – Der Stier in mir„, Philipp Schluck), doch zum ultimativen Gewinner wurde schließlich berechtigterweise „Gabriel“ von Alice Cugus gekürt: Ein ruheloser spanischer Autor irrt durch die Straßen von Berlin und gibt nach einem Alptraum dem Impuls nach, kurzum seine Sachen zu packen und abzuhauen. Simpel, eindringlich und am Puls der Zeit. Trotzdem ein Luxusproblem, wenn ich an die beiden Akkordeon spielenden Straßenkinder denke, die mich eben noch vor der Tür gefragt haben, was es mit der geschlossenen Veranstaltung auf sich hat, während hier drin mittlerweile schon vorsorglich Gratis-Weine und Schnäpse en masse an der Bar aufgereiht werden und Jörg Herlyn das Schlusswort spricht.

Noch schnell ein Foto mit Herrn Brühl, geschossen vom anderen Daniel.

Noch schnell ein Foto mit Herrn Brühl, geschossen vom anderen Daniel.

15.000,- Euro hat Osborne allein für die Prämierung der sechs Gewinner dieses kleinen Festivals springen lassen. Als ich mir ein Canapé vom Tablett eines vorbeistolzierenden spanischen Kellners angele, geht mir auf, dass die Investition in die Alkoholbranche eine überaus solide Sache ist. Komm Daniel, darauf trinken wir noch einen Wein. Draußen finden wir uns dann mit einem Osborne Blanco und einem Osborne Rosado wieder und der andere Daniel ist auch nicht weit. Liebevoll tätschelt er den Rücken seiner Freundin Felicitas Rombold, die sich mit ihrem wehenden Sommerkleidchen wohl etwas zu optimistisch angezogen hat. Noch schnell ein Foto mit Herrn Brühl, bevor er es den meisten Gästen gleichtut und auch verschwindet. Unser Tischnachbar, ein Urugayer aus einer deutschen Kolonie mit strohblondem Haar, brüllt ihm noch etwas auf Spanisch hinterher, was Brühl als Halbspanier auch prompt akkurat beantworten kann. Da ich nur das Wort Niki Lauda verstanden habe, nehme ich an, dass es sich um seinen neuen Film „Rush“ dreht. Während wir unseren letzten Wein leeren, schauen wir versonnen dem schönen Paar nach, das schließlich schwankend und händchenhaltend im Mondlicht nach Hause tapert. Irgendwie süß.

Alina Impe