Festivalbericht: Favourites Film Festival

Heimeliges Schlachthaus


Filmszene: "Gromozeka", Vladimir Kotts Film wird beim 2. Favourites Film Festival zu sehen sein. Foto: Yevgeny Gindilis

"Gromozeka": Die Suche nach einem sicheren Platz in der russischen Gegenwart. Foto: Yevgeny Gindilis

Nicht immer ganz so lustig, gleichwohl mit anspruchsvollen Diskursen boten sich die Spielfilme des Festivals an. Der in Moskau spielende Film „Gromozeka“ (2011) von Vladimir Kott offeriert durch die Schicksale dreier Freunde – einem Taxifahrer, einem Polizisten und einem Chirurgen – die alltäglichen Probleme und Schwächen der heutigen russischen Gesellschaft und vermag es, diesen Geschichten ironische bis sarkastische Momente abzugewinnen. Wenn sich der Taxifahrer (Leonid Gromov) von einem Fahrgast bewusstlos prügeln lassen muss, weil dieser seiner Angebeteten imponieren möchte und diese die Schlägerei heimtückisch provoziert hat, der Polizist (Boris Kamorzin) sich fast ins Hemd macht, weil er den Liebhaber seiner Frau erschießen will und dieser wiederum an einem Herzinfarkt kollabiert, sich der Chirurg (Nikolay Dobrynin) während eines Stromausfalls im OP-Saal Licht und Sicht durch sein Mobiltelefon verschafft, dann ist das alles kurzerhand komisch. Allerdings nur so lange, bis der Witz verpufft.

Bis nämlich, wie im Fall des Chirurgen, das Licht wieder angeht und der Patient in diesem Augenblick stirbt. Dies ist wohl auch ein Bild für das eigentliche Hauptmotiv des Filmes – die Suche nach einem sicheren Platz in der russischen Gegenwart.  Den identitätsstiftenden Ort der Sicherheit im oligarchischen System findet der Taxifahrer schließlich bei seiner Tochter. Der Polizist bei seinem Sohn und der Chirurg bei einer Prostituierten. Die drei jungen Leute sind die Bindeglieder zwischen der neuen und alten Welt. Starke Gesellschaftskritik, starker Film – das fanden auch die Zuschauer beim Filmfestival in Cottbus, so allerdings nicht das Berliner Publikum, da es den dänischen Film „Brotherhood“ (2009) zum Festivalgewinner wählte.

Der auf dem Festival Llamale H Montevideo Cine Diversidad in Uruguay von den Zuschauern goutierte Streifen ist ein tiefgründiger Film über die nicht geduldete und unerfüllte Liebe zweier Menschen. Der Soldat Lars (Thure Lindhardt) wird unehrenhaft aus dem Dienst entlassen. Frustriert schließt er sich einer nationalsozialistischen Gruppierung an. Jimmy (David Dencik), der schon lange ein führendes Mitglied der Gruppe ist, empfindet für den Neuling bald mehr als nur Sympathie. Was nach einem Klischee schreit, wird allerdings von dem gebürtigem Kopenhagener Nicolo Donato, der Regie führte und das Drehbuch mitschrieb, gekonnt vermieden. Ein Drama, in dem die beiden Hauptdarsteller ein sehr überzeugend gespieltes, romantisches Verhältnis aufbauen und für ihr Umfeld das Bild der brutalen und knallharten Nazis aufrecht erhalten.

Dieser Konflikt ist nicht ewig zu balancieren und endet letztlich in der Katastrophe. Lars und Jimmy werden enttarnt, fliegen auf und werden dafür von der Neonazitruppe brutal abgestraft. Ein offenes Ende um das Überleben Jimmy’s unterstreicht die kompromisslose Härte und zugleich die äußerst berührende, romantische Tragik des Films. Das Berliner Publikum war stark gerührt von diesem und auch den anderen Filmen des diesjährigen Wettstreites um den Publikumsliebling der Publikumslieblinge. Und man kann nur wünschen, dass es sich im nächsten Jahr wieder berühren lässt und das Favourites Film Festival berühren kann.

Sven Bruelke

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