Viele Panels, viele Fragen

"Think: Film" in der Akademie der Künste


"Traité de bave et d'éternité" (1951) von Isidore Isou besteht aus teils selbstgedrehten, teils als Foundfootage gefunden Aufnahmen.

"Traité de bave et d'éternité" (1951) von Isidore Isou besteht aus teils selbstgedrehten, teils als Foundfootage gefunden Aufnahmen.

„Think: Film“ – so Titel und Aufforderung für den International Experimental Cinema Congress 2012, der vom 10. bis 14. Oktober in den Räumen der Akademie der Künste stattfindet. Nach Jahren der Planung, des ewigen Brainstorms ist es also soweit. Erwartet: Kompetente Redner aus Theorie und Praxis, internationales Publikum und dazwischen – glühende Diskussionen. Mit insgesamt 15 Panels, die sich über mehr als zehn Stunden täglich erstrecken, sind jedoch schon jetzt mindestens zwei Dinge garantiert: Wissenszuwachs in horizontale und vertikale Richtung und Kopfschmerzen. Wer sich insbesondere vor letzteren nicht scheut, gar Freude an unermüdlichem Sprachfluss und natürlich Experimentalfilm hat, der sollte sich ganz schnell ein Tagestickets sichern.

Zu  besuchen gilt es: „Panel 1 – Opening Session“, das sich schon allein aufgrund des Klassikers „Traité de bave et d’eternité“ (Isodore Isou, Frankreich 1951) lohnt. „Panel 2 – New Footage“ Found greift dann Isous Film direkt auf und verhandelt neuartige Formen von Archivkunst. Am 11. Oktober, in „Panel 3 – Image – Sound – Text“, dann ein mehr als besonderes Highlight: Michael Snow debattiert mit Stefanie Schulte Strathaus und Heinz Emigholz über die Geschichte des Experimentalfilms. Historie und Theorie zu verknüpfen, das ist das Thema von „Panel 4 – Thought Processing“, in dem das aktuelle Verhältnis des filmischen Bildnis zu verschiedenen Praktiken und Logiken des Denkens untersucht werden soll. „Panel 5 – The Edge of Narration“ analysiert unter dem Stichwort experimentelle Epik Narrative in Film-, Fernseh- und Experimentalfilmgeschichte, während sich „Panel 6 – Spacetime I: Theoretical Physics and Film“ und „Panel 7 Spacetime II: Space – Body – Language“ den Verhältnissen und Wechselspielen zwischen Film, Raumzeit und Körper widmen. Den Faktor Großstadt thematisiert „Panel 8 – Urban Cultures“ mithilfe anwesender Filmemacher aus Indien, Ägypten, Nord- und Südamerika. Underground, Camp, Tropicamp – Begriffe, die in den letzten Jahren vielerorts einer Neubetrachtung unterzogen wurden, erhalten in „Panel 9 – Overall Underground“ zusätzliche Reflexion.

Am Wochenende beschäftigen sich gleich mehrere Runden mit konkreten Fragen der Praxis. „Panel 11 – Film as Practice“ untersucht den Experimentalfilm beispielsweise unter politischen, aktivistischen und ästhetischen Gesichtspunkten und führt die 70er Jahre Debatte um die Verortung des Experimentalfilm zwischen dem Politischen und dem Ästhetischen weiter. „Panel 12 – Experiment – Institution“ inspiziert filmisches Schaffen in Anbetracht tiefgreifender medialer Veränderungsprozesse und versucht, Prognosen zu treffen. Ein handfestes Krisengespräch in Sachen Filmförderung ist in „Panel 14 – Re-defining Production and Distribution“ zu erwarten. Den Anspruch, im finalen „Panel 15 – Wrap-up-Session“ Verläufe und Ergebnisse der einzelnen Veranstaltungen zu rekapitulieren und zusammenfassen, dürfte gehörig scheitern. Schlimm ist das nicht, ein solches Programm auf die Beine zu stellen, gebührt neben einem fassungslosen Kopfschütteln eben auch Respekt.  Der Kongress, eine Kooperation mit dem Kino Arsenal, findet vollständig in englischer Sprache statt.

Carolin Weidner

Think:Film – International Experimental Cinema Congress 2012 10. bis 14. Oktober, Akademie der Künste (Hanseatenweg 10) Programm unter www.arsenal-berlin.de