5. KUKI im Filmtheater im Friedrichshain
"Kinofilme sind ein effektives Lernmittel"
Frau Koshka-Stein, was ist das Besondere an einem Festival für Kinder und Jugendliche und wo liegen die Chancen und Schwierigkeiten bei der besonderen Form des Kurzfilms?
Das Publikum ist einzigartig – Kinder und Jugendliche sind noch nicht so abgestumpft, die haben noch nicht alles gesehen. Man kann sie ganz leicht begeistern, vor allem für andere Kulturen, fremde Lebensweisen, andere Ansichten. Kinder wissen intuitiv, was echt ist und was nicht. Natürlich wollen sie von einem Film auch unterhalten werden, sind empfänglich für Fantasie und Zauber. Aber vor allem wollen sie etwas lernen, sie sind unglaublich wissbegierig. Die kollektive Erfahrung im Kinosaal ist für Kinder etwas Besonderes. Kinofilme sind ein sehr effektives Lernmittel. Dieses Jahr zeigen wir zum Beispiel mit „Die ockerroten Mädchen vom Kaokoveld“ die Geschichte von zwei Schwestern aus dem Volk der Himba, die in einem winzigen Dorf im Norden von Namibia in Lehmhütten wohnen. Die RBB-Produktion – eine echte Ausnahme, sonst zeigen wir keine Fernsehproduktionen – begleitet die beiden lustigen und so selbstbewussten Mädchen bei ihrer ersten Reise in eine größere Stadt, wo sie zum ersten Mal in ihrem Leben einkaufen gehen und für sie so fremde Dinge wie Kühlschränke kennenlernen. Das ist für Kinder total spannend anzusehen.
Alle Vorteile, die für den Kurzfilm für Erwachsene gelten, gelten für Kinderkurzfilme ebenfalls. Ein Kurzfilm ist billiger zu produzieren, als ein Spielfilm. Du hast keinen Produzenten im Nacken sitzen. Es muss nicht zwangsläufig eine Liebesgeschichte, eine Actionsequenz, ein Happy End haben. Dieser ganze Quatsch fällt weg. Es ist wunderbar, was man in fünf Minuten auf den Punkt erzählen kann. Kinder haben bekanntermaßen eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne, aber die beobachten dabei viel genauer als Erwachsene.
Wie wurden die Filme fürs KUKI ausgewählt und welche Themen sind diesmal stark vertreten?
Die Themen hängen total von den Einreichungen ab. Das ist wie Fischen im Meer. Du weißt nicht genau, was im Netz sein wird, aber es wird auf jeden Fall etwas drin sein. 900 Filme wurden diesmal eingereicht, es ist von Jahr zu Jahr ein bisschen mehr. Ich bin sehr empfindlich bei der ganzen Propaganda, die oft im Kinderfilm transportiert wird: Gut und Böse, diese ganzen flachen Werte, die Kindern vermittelt werden. Das finde ich nervig und traurig. Solche Filme gibt es bei KUKI nicht zu sehen. Mir ist es besonders wichtig, dass wirklich jeder Film angeschaut wird, dass uns keiner durchs Netz geht. Bei einigen Filmen würde man vielleicht nach zwei Minuten abschalten, weil die Qualität so schlecht ist. Aber vielleicht verbirgt sich gerade da eine besonders spannende Geschichte. Vielleicht ist es der Erstlingsfilm eines Filmemachers aus Afghanistan, mit einfachen Mitteln gedreht, aber er erzählt eine Geschichte, die wichtig ist. Das wägen wir immer ab. Wir müssen alles gucken, bis zum Schluss. Das ist ein Unterschied zu anderen Festivals, auch zu interfilm. Auf einem A-Festival könnten sicher nicht alle unsere Filme laufen, weil sie qualitative Mängel haben. Bei uns geht es aber ausschließlich um die Botschaft.
Die Preise in den Wettbewerbskategorien ab 6, 8, 10, 12 und – dieses Jahr neu – ab 14 Jahren werden von zwei Kinderjurys ausgewählt. Wie bereiten sich die Kinder auf ihre Rolle als Juroren vor?
Vergangene Woche haben wir uns mit der Kinder- und der Jugendjury – dieses Jahr erstmals getrennt – zusammengesetzt und bereits „Hausaufgaben“ aufgegeben. Die Kinder haben zwei Seiten mit Kriterien bekommen, nach denen sie in den kommenden Tagen Fernseh- und Kinofilme anschauen sollen. Sie sollen vor allem auf Originalität achten, wie ein Film gemacht und gespielt ist, ob ein Film authentisch und ausbalanciert ist. So üben sie sich schon im kritischen Bewerten von Filmen und schärfen ihre Augen. Die Kinder- und Jugendjury sitzt beim KUKI ja mit im Saal, sie bekommen keine Sonderscreenings. Sie sollen bewusst beobachten, wie die Filme auf die anderen Kinder wirken, und das auch in ihre Kritik einfließen lassen. Letztes Jahr habe ich die Kinderjury das erste Mal mit betreut und ich fand es unglaublich, was die alles beobachten. Es gab einen Film, der bei allen Kindern besonders gut ankam. Und dann haben sie darüber diskutiert, ob er den Preis vielleicht nicht so sehr braucht, weil er schon einen Oscar gewonnen hat, und stattdessen lieber ein Film aus einem ärmeren Land vorzuziehen sein. Eines der Kinder meinte: „Ja, aber auch in ärmeren Ländern gibt es reiche Leute, und in einem reicheren Land ärmere.“ Solche Diskussionen gibt es dann unter den Kindern, das ist wahnsinnig toll. Am Ende haben sie sich für den Film „Marijn“ aus den Niederlanden entschieden. Auch dieses Jahr haben wir zwei Produktionen aus Holland dabei. Dieses Land haut mich sowieso jedes Mal um mit seinen tollen Kinderfilmen.