interfilm Festivalbericht 2012
Stiefkinder und ihre Gatekeeper
24 Stunden später traut sich Toby in Ivan Almeida Rodrigues´ „By the Pool“ endlich ein Mädchen anzusprechen. Kinderfilme haben stets etwas Gruseliges an sich, denn die Funktion der Kind-Idealisierung im Allgemeinen kehrt in der Bilderwelt nur etwas ungeschlachter wieder. Das Kind entsteht vor den Augen der Erwachsenen als unvernünftig und unberechenbar. Der Preis dafür ist die Vorstellung, es sei auch immun gegenüber irritierenden Triebwünschen. Eine solche Vorstellung und die damit einhergehende Erziehung hat dann zur Konsequenz, dass vom Trieb nur infantile Regression bleibt, die dann entweder zu unausstehlichen Ich-will-ich will-Schreiern führt oder in apathischen Stubenhockern mündet, denen das Lachen vergangen ist. Ihnen muss nichts mehr ausgetrieben werden und eine Bändigung ist nicht notwendig – sie waren nie unbändig. Toby ist ein solches Kind und ein Mädchen ist für ihn mehr als ein anderer Mensch, es ist eine andere Form von Leben.
Der Erstkontakt wird also sehr rituell durchgeführt, was das Mädchen natürlich ausgesprochen komisch findet, doch er punktet gerade mit seiner Unerfahrenheit gegenüber dem Mädchen, da er sich nicht aufplustert und dadurch ganz er selbst bleibt. Ausgesprochen enttäuschend war die Sparte „Fluchtweg Zukunft“. Ob nun Tess Martins „The Whale Story„, Wanuri Kahius „Pumzi“ oder Kyle Rideouts „Wait for Run„, allzu oft kam es derart stumpf schematisiert und abgegriffen daher, dass es vielen herzlich egal gewesen ist, ob beim Verfassen des Drehbuchs irgendein Stanislaw Lem- oder Philip K. Dick-Schinken Pate stehen musste – oder ob einfach die Sehgewohnheiten so wahrheitsgetreu wie möglich abkopiert worden sind. In dem Maße, in dem aus 7000 Einsendungen herausgefilterte Kurzfilme vom Himmel der Ideen herabstiegen und als Abstraktion die Gemüter bewegten, in einem solchen Maße wurden Preisgelder ausgeschüttet: 6000 Euro in der Kategorie bester Film für Dominic Simards „Paula“ und 2000 Euro für Mario Fernandez Alonsos „La Manada„. 2000 Euro in der Kategorie beste Animation für Joseph Pierce „The Pub“ und 1000 Euro in der Kategorie beste Kamera für David Grumbachs „Imparfait du Subjectif„. Alles hat ein Ende. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, bringt aber immer wieder Filme hervor. Manche von ihnen, zum Beispiel Moores „Julian„, kommen sogar an dem härtesten Gatekeeper vorbei – dem Ultrakurzzeitgedächtnis.
Joris J.
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