Lange Nacht des Menschenrechts-Films im HKW


"Bon Voyage": Alles, was mit muss, kommt auch mit.

"Bon Voyage": Alles, was mit muss, kommt auch mit.

Die Menschenrechte könnten wohl mit eine der besten rechtlichen Deklarationen sein, die für Systeme – wenn ehrlich gemeint – verbindlich gelten sollten. Da sie es nicht immer tun, de facto nicht überall auf der Welt rechtlich bindend sind und mitunter missbraucht werden, gilt es diesen Traum des globalen, friedlichen Miteinanders nicht nur weiter zu träumen, sondern in die Tat umzusetzen. Ein Ausdrucksmittel hierfür ist auch der Film. Jährlich wird daher der Deutsche Menschenrechtsfilmpreis verliehen und prämiert insbesondere Filme, in denen Menschenrechtsverletzungen thematisiert werden. Die im Dezember 2012 gekürten Siegerfilme touren nun durch die Republik und sind am kommenden Dienstag (15. Januar) ab 19. 30 Uhr im Haus der Kulturen der Welt – bei freiem Eintritt – zu sehen.

Einer der insgesamt fünf Gewinner in unterschiedlichen Kategorien ist „Bon Voyage“ (2011) vom Schweizer Fabio Friedli, der mit dem recht bekannten Kurzfilm „Heimatland“ (2010), ironisch die Haltung seiner Landsleute gegenüber allem nicht Schweizerischem sehr kritisch zeichnet. In „Bon Voyage“ allerdings ist nicht der Schweizer und Westeuropäer Antagonist und nicht die Sicht auf das Fremde aus der Perspektive des national geprägten Schweizers wird gezeigt. Friedli versucht vielmehr mit seiner neuesten Animation den Zuschauer in die Lage eines Flüchtlings zu versetzen. Was anfänglich als eine normale Busch-Taxi-Situation in der dritten Welt ausschaut – „alles, was mit muss, kommt auch mit“ – endet in einer Odyssee durch die Sahara, nach Europa und schlussendlich in den Alpen. In einer schweizerischen Asylbehörde sieht sich der afrikanische Flüchtling einem Beamten gegenüber, was um so eindringlicher für den Zuschauer erscheint, da Friedli von der Animation ins Reale der Filmfiktion wechselt und die Strichmännchen von fleischgewordenen Menschen dargestellt werden.

Ein Effekt, der eine plötzliche Nähe und einen sehr nachdrücklichen, stärkeren Realitätsbezug beim Rezipienten erweckt und eben nicht nur mehr im Stil des Zeichentricks, die inhaltliche Ebene verniedlichend erscheinen lässt. Wie es Asylsuchenden in einem angeblich zivilisiertem Rechtsstaat ergehen kann, zeigen die Causa eines Oury Jallohs in Dessau im Jahr 2005 oder die beiden sich fast gleichenden Fälle aus Hamburg und Bremen, die als Vorlage für den eingehenden und sehr harten Film „Rausch“ (2010) von Verena Jahnke dienten. Der 35-jährige Laye-Alama Condé aus Sierra Leone verstirbt in einer Bremer Gefängniszelle an den Folgen eines Brechmitteleinsatzes im Jahr 2004. Gleiches widerfuhr dem 19-jährigen John Achidi in Hamburg drei Jahre zuvor. Eine Ärztin flößt in „Rausch“ – in einer ihrer letzten Rollen preussisch, routiniert und eiskalt von Susanne Lothar brillant verkörpert – einem Drogendealer ein Brechmittel unter Gewaltanwendung ein. Diese gängige Praxis wurde vor einigen Jahren gekippt und Drogenfahnder müssen seither auf die Exkremente mutmaßlicher Verdächtiger zurückgreifen.

Das aber die Umsetzung der Menschenrechte nicht immer zur positiveren und gerechteren Weltentwicklung beiträgt und sie auch nicht notwendigerweise universell sein müssen, zeigt insbesondere das Drama „Five ways to kill a man“ (2011/2012) vom Südafrikaner Christopher Bisset. In Sams Leben tauchen plötzlich für ihn völlig fremde Menschen auftauchen, die sein Dasein in der westlich-zivilisierten Welt ermöglichen. Eine tiefgreifende Erfahrung für Sam. Er sieht sich damit konfrontiert, bewusst oder unbewusst, auf Kosten anderer Individuen zu existieren. Sam als ein gebührender Vertreter, der für unseren Lebenswandel steht und der sich nun mit chinesischen Kindern, die seine Schuhe genäht haben oder einer Kaffee-Pflückerin aus Guatemala, herumschlägt.

Dass der Traum der Tat immer ein Stück näher rückt, wenn solche Filme gemacht und gezeigt werden können, ist unumstritten. Leider kann der Zuschauer keine Filme erwarten, die über das Aufzeigen und Anprangern der nicht bestehenden Menschenrechte hinaus offerieren, oder wie man bestehende Menschenrechte dauerhaft schützt. Vielleicht finden sich solche Anregungen in der sich anschließenden Diskussion mit den fünf Filmemachern und dem Moderator des Abends Knut Elstermann.

Sven Bruelke

Lange Nacht des Menschenrechts-Films, 15. Januar ab 19.30 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, www.hkw.de