Gert Fröbe Retrospektive im Babylon

Gert Fröbe: Der gemütliche Sachse


Gert Fröbe in "Goldfinger". Foto: Babylon.

Gert Fröbe in "Goldfinger". Foto: Babylon.

Der gemütliche Sachse

1983 schilderte Gert Fröbe in einem Deutsche-Welle-Interview, wie sich in der Schule ein Lehrer über seinen Berufswunsch mit den Worten belustigte: „Ich zweifle nicht an Ihrem Talent, aber Sie werden doch mit dem Textbuch auf die Bühne gehen müssen. Sie können doch nichts behalten.“ Vielleicht war das rezitieren von Gedichten nicht seine Stärke, aber das Nachempfinden und Gestalten von Menschen lag ihm im Blut. „Jedermanns Lieblingsschurke“ feiert vom 1. bis 10. März im Kino Babylon:Mitte retrospektiv seinen 100. Geburtstag.

Mit grotesker Gemütlichkeit trat er als Nestbeschmutzer in internationalen Filmen auf. Trotz Schauspielunterricht bei Erich Ponto hielt er dabei hartnäckig an seinem sächsisch harten und weichen B fest. So viel war klar, Liebhaber oder Held konnte der sommersprossige Riese mit der weichen Falsett-Stimme nicht werden. Es war nicht ohne Witz, als der Kaufmannssohn aus einer Randgemeinde von Zwickau, der sich zuvor als Maler versuchte, dem großen Ponto den Mephisto vorsprach. Karl Valentin gestand ihm darauf schauspielerisches Format zu, denn er füllte in jeder Hinsicht Leinwand und Bühne. Aber wichtiger war der Fakt, dass er schauspielerische Intelligenz besaß. Das Format, diese raumgreifende Fülle in Frage zu stellen.

Er spielte nie so ganz sich selbst, sondern kommentierte mit Skepsis menschliche Ungetüme. Vielleicht blieb deshalb die Sympathie auf seiner Seite. Das Rezept des kalkulierten Wechsels spielte mit Sicherheit auch eine Rolle. Wenn er einen Schuft, ein fieses Schwein gespielt hatte, so recht zum Kotzen, setzte er mit einer rührend komischen Figur nach, mimte ein listiges Riesenbaby, das seine Adams-Schwächen verständnisheischend ausspielte. Für Kinder gab er im dunklen Bart auch noch den gemütlichen Räuber Hotzenplotz. Dort tragen gleich drei Hauptdarsteller falsche Nasen – sogar Lina Carstens als Großmutter. Hotzenplotz (Gert Fröbe) klaut ihr die Kaffeemühle und verscherbelt sie Seppel, dem bösen und ziemlich tuntigen Zauberer Petrosilius Zwackelmann (Josef Meinrad), für einen Sack Schnupftabak, auf dass er mahle tagein, tagaus. Meinrad trägt eine Kurt Waldheim-Nase, hat aber offensichtlich Heidenspass an seiner Rolle: sein launisches Betragen ist höchst beängstigend, und wenn ihn eine gute Fee mit bösen stahlblauen Augen zur Strecke bringt, fühlt man sich an Van Helsings Tochter aus „Dracula“ (1979) erinnert. Man kann „Räuber Hotzenplotz“ vielleicht auch als bizarren Horrorfilm mit unnützen komischen Einlagen sehen. Auf jeden Fall hat die selbstsichere Naivität, mit der uns all das serviert wird, etwas Charmantes.

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