filmPolska-Direktor Tomasz Dąbrowski im Interview

"Manchmal ist es einfach Unwissen oder Ignoranz."


Im Eröffnungsfilm von filmPolska wird das ländliche Polen zum himmlischen Käfig. Foto: Berlinale

Im Eröffnungsfilm von filmPolska wird das ländliche Polen zum himmlischen Käfig. Foto: Berlinale

Polen gilt als Land, das ökonomisch wächst und an internationaler Bedeutung gewinnt. Gilt dies auch für den polnischen Film? Immerhin gibt es filmPOLSKA nun in mehreren deutschen Städten.
Ja, ohne Zweifel. Die Gründung des Polnischen Filminstitutes (PISF) im Jahre 2005 war der entscheidende Schritt und ein deutliches Signal zum Aufbruch für die polnische Kinematographie. Gezielte und durchdachte Förderung sowie die Bindung der Filmemacher an die Vergabegremien gaben der polnischen Filmwirtschaft neue Kraft. Auch die intensive Unterstützung junger Talente und Absolventen der polnischen Filmakademien trägt erste Früchte. Namen wie Małgorzata Szumowska (3x Berlinale), Bartek Konopka (Oscar-Nominierung) oder Grzegorz Zariczny (Gewinner des diesjährigen Sundance-Festival) sind deutliche Anzeichen für Erfolg. Zugleich hilft die Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit dem polnischen Film auf internationalen Märkten Fuß zu fassen. So zeugt auch filmPOLSKA von einer neuen Phase in die das polnische Kino getreten ist. Das Festival sieht sich als Bühne für die wichtigsten Stimmen des polnischen Kinos und die vergangenen acht Jahre haben dem Festival ein klares Profil verliehen, nicht nur in Berlin, sondern bundesweit.


Der polnische Film ist in letzter Zeit mehrfach auf internationalen Festspielen ausgezeichnet worden. „Im Namen des… bekam in diesem Jahr den Teddy Award und „Baby Blues“ den Kristallbären der Berlinale. Wieso schaffen es trotzdem so wenige polnische Filme in internationale Kinosäle?
In der Tat stellen wir fest, dass es in den letzten Jahren nur selten polnische Filmproduktionen in das Programm deutscher Arthouse-Kinos geschweige denn Multiplexe geschafft haben – trotz Erfolgen auf Filmfestivals sowohl international als auch in Deutschland. Ähnliche Entwicklungen sind im Übrigen auch bei Filmen aus anderen mittel- und osteuropäischen Ländern zu beobachten. Die Gründe sind verschieden: starke Fokussierung der deutschen Kinos auf den angelsächsischen Raum, niedrige nationale Förderung der PR-Maßnahmen für interessante Filmprojekte im Ausland, manchmal einfach Unwissen oder Ignoranz. Es ist uns auf jeden Fall ein wichtiges Anliegen, dieser Frage nachzugehen. Daher haben wir dieses Jahr wichtige Akteure der Filmbranche aus Deutschland und Polen zur Podiumsdiskussion „Made in the East – Out of Fashion?“ am 19. April in das Hackesche Höfe Kino eingeladen.

Der Eröffnungsfilm „Im Namen des…“ handelt von Priestertum und Homosexualität. Gibt es einen thematischen Trend beim Neuen Polnischen Kino, den Sie ausmachen können?
Das polnische Kino war immer schon bemüht, die Realität zu reflektieren. In den 1970er und 1980er Jahren diente es als Medium unterschwelliger Systemkritik. Gegenwärtig greift es aktuelle soziale Schieflagen und gesellschaftliche Konflikte auf, die die polnische Bevölkerung beschäftigen. Das betrifft zum Beispiel auch den Film „Frauentag“ von Maria Sadowska, der sich mit prekären Arbeitsbedingungen auseinandersetzt. Von daher ist nicht unbedingt ein thematischer Trend zu erkennen, sondern generell die Absicht, Tabuthemen anzusprechen, Grenzen zu überschreiten und den Zuschauer darauf aufmerksam zu machen, dass in seiner direkten Umgebung Dinge passieren können, die eine Gesellschaft formen und die überaus wichtig sind. Homosexuelle Priester sind ja nichts Neues, aber es erfordert gewissen Mut, darüber in Polen einen Film zu machen. Dieser Mut zeichnet polnische Filmemacher traditionell aus.

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