XPOSED International Queer Film Festival 2013

"Wir müssen Normen lustvoll unterwandern"


Welche Möglichkeiten und Ausdrucksformen eröffnen queere Filme, die anderswo im normativ-konventionellen Kino fehlen? Seid ihr im Zuge eurer Programmauswahl auch an Grenzen gestoßen? Oder ganz allgemein gefragt: Was macht einen guten Film mit Queerthematik aus?
Natürlich sind wir auch auf unsere eigenen Grenzen oder Schranken, die wir genauso mit uns  rumschleppen, gestoßen. Erstens hatten wir natürlich sehr viele Filme, die wir erst mal durchrecherchieren mussten, das war eine relativ aufwendige und langwierige Suche. Zweitens gibt es natürlich bezogen auf die queere Festivalthematik nicht unendlich viele Ressourcen. So viele interessante und passende Filme es im Experimentalfilmbereich gibt, so wenig existent ist queeres Filmschaffen abseits dieser Szene in Österreich, was natürlich schade ist. Daher mussten wir uns natürlich erst einmal stark mit unseren eigenen Vorstellungen und Grenzen auseinandersetzen. Die nicht vermeidbare Frage „Ist es queer genug?“ hat sich automatisch an die Gegenfrage „Wie interpretieren wir den Begriff eigentlich?“ gekoppelt. Verbunden mit unserem Festival wollen wir den Begriff schon politisch und vor allem integrativ verstanden wissen. So sehen wir auch unsere Arbeit als Programmmacher.

Was wäre denn ein Film aus eurem Programm, der nicht nur mit dem Begriff Queer spielt, sondern gleichzeitig auch auf experimentelle Weise Seh- und Plotkonventionen in Frage stellt und neu ordnet?
Wir zeigen Arbeiten im Österreichischen Kurzfilmprogramm, die sich in verspielter, subversiver Art und Weise der oben genannten Körperlichkeit und dem Spiel mit den Identitäten widmen. Identität ist hier eine Frage der Kreativität – so gesehen bei vielen Filmen, vor allem aber exemplarisch gezeigt bei Hans Scheirls durchgeknallter Science-Fiction-Horror-Satire „Dandy Dust“ (1998). Da gibt es Cyber Dykes, also geschlechtsfluide Cyborgs, viele (Körper)-Flüssigkeiten und nur einen Mann, der dafür aber einen Schwanz hat, der eigentlich ein riesiger Bohrkopf ist. Tief im Kern erzählt der Film den Emanzipationsversuch von Dandy von seiner kontrollgeilen Sippschaft, schafft es aber gleichzeitig, dies auf etliche Wahrnehmungsebenen zu verteilen und nimmt den Zuschauer auf einen neonfarbenden Trip mit. Eine klare Erzählstruktur gibt es hier nicht, daran ist Scheirl nicht interessiert. Plotnazis werden generell im Österreichprogramm nicht auf ihre Kosten kommen. Lässt man sich aber darauf ein, wird man mit großartigen Bildern im Kopf den Kinosaal verlassen. So laufen einige Filme im Programm, die den alltäglichen Gebrauch und das Verständnis von queer bei so manchem Zuseher sicherlich in eine gewisse Schieflage bringen. Sie stoßen einen sanft oder auch mal etwas härter dazu an, über seine eigenen verinnerlichten Grenzen nachzudenken. Natürlich zeigen wir im Rahmenprogramm auch einige sehr schöne Filme, die man eher als klassische Independentproduktionen bezeichnen kann. So ist eine große Bandbreite gegeben und das sind genau die Qualitäten, die wir suchen. Vielfältigkeit, formale Experimente, Uneindeutigkeiten, politisches Aufbegehren, ästhetischer Radikalismus.

Ein Filmemacher war schon im letzten Jahr mit einem provokanten Beitrag bei eurem Festival vertreten: Jan Soldat. In „Zucht und Ordnung“ konnten wir hautnah Sexualität im Alter erleben und dabei sein, wenn die beiden Rentner Manfred und Jürgen ihre über Jahre hinweg kultivierte Vorliebe für SM noch jenseits der 70 ausleben. Worum wird es in seinem neuen Beitrag „Wielandstr. 20, 3. OG links“ gehen?
Wir freuen uns sehr, wieder einen Film von Jan Soldat im Programm zu haben! Dieser Film ist weniger ein Portrait wie „Zucht und Ordnung„, als eher eine kurze sexuelle Episode aus dem Leben eines schwulen Paares. Sexualität im Alter ist auch hier wieder ein Thema. Der Film ist sehr kurz, daher sag ich jetzt nicht mehr dazu, aber es lohnt sich auf jeden Fall, den Film zu sehen und natürlich auch die anderen Deutschen Kurzfilme sowie das danach folgende Internationale Kurzfilmprogramm.

Gilt die Gleichung Queere Filme = Queeres Publikum? Wen möchtet ihr mit eurem Festival erreichen? Und wie hat sich euer Publikum hinsichtlich der Zusammensetzung und des Zulaufs in den letzten Jahren verändert?
Ich denke, wir hatten immer ein sehr gemischtes Publikum. Das liegt sicherlich auch am Charakter der Filme, die wir zeigen und über die Jahre hat man gut sehen können, wie sich das auch fortgesetzt hat. Natürlich wollen wir ein so breites Publikum wie möglich reinholen. Gerade die experimentelleren Werke sind auf ganz vielen Ebenen interessant und interpretierbar, und somit auch von Relevanz abseits des queeren Kontexts. Das ist ja das Schöne am Programm, es lässt wirklich Raum für Interpretationen und bietet einen hervorragenden Überblick über österreichisches Filmschaffen im Experimentalfilmbereich und dem Wiener Underground von 1965 bis 2012.

Und zum Schluss: Was sind deine persönlichen Highlights im Programm, die du den Zuschauern ans Herz legen möchtest?
Ohje, das ist schwer. Das ganze Programm natürlich. Persönlich würde ich das Österreichische Kurzfilmprogramm I+II empfehlen, plus die beiden Langfilme „Wiener Brut“  und „Rote Ohren fetzen durch Asche„. Eine wirkliche Rarität ist auch das Kurzfilmprogramm von Avery Willard – ein vergessener, aber umso grandioserer Künstler, Filmemacher und Pornograph aus New York, der 1993 verstorben ist. Damit sind wir in der absolut schwulsten Ecke des Festivalprogramms angekommen. Es gibt also doch auch den schwulen Klassiker bei uns zu sehen.

Die Fragen stellte Alina Impe

XPOSED International Queer Film Festival 30. Mai bis 1. Juni, Kni Moviemento, Programm unter www.xposedfilmfestival.com

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