Cinema of Outsiders im Zeughauskino
Aus Independent wurde Indie
Die Retrospektive „Cinema of Outsiders“ läuft vom 1. bis 19. Oktober im Zeughauskino und widmet sich dem amerikanischen Independent-Kino der Reagan-Ära. Kurator Hannes Brühwiler, Gründer des Unknown Pleasures Filmfestivals, im Gespräch darüber, warum Soderberghs Hit „Sex, Lies and Videotape“ ein Ende und nicht Anfang ist und der Begriff Independent sinnentleert wurde.
Das „Cinema of Outsiders“ zeigt Filme von 1977-1989. Was ist an dem amerikanischen Independent-Kino dieser Zeit besonders?
Der Grundgedanke des Ganzen ist, dass meiner Meinung nach die Zeit nach 1989 extrem präsent ist. Während in der Zeit davor eigentlich nur punktuell Namen bekannt sind. Jim Jarmusch, Spike Lee, Gus Van Sant. Aber es fehlt das Bewusstsein, dass die 80er mindestens ebenso eine kreative und spannende Zeit waren wie die 90er. Diese knapp zwölf Jahre, die mit „Sex, Lies and Videotapes“ enden. Ende 70er gab es überraschend viele Institutionen, die für den Experimentalfilm gegründet wurden. Wie das US Film Festival, das später das Sundance Film Festival wurde. 1978 gab es im Rahmen des New York Filmfestivals zum ersten Mal eine Werkschau des Independent-Kinos. Und dann wurde das Independent Film Project gegründet, das bis heute wichtig für unabhängige Filmemacher ist. 1977 begann die L.A.-Rebellion-Bewegung, ein afro-amerikanisches Kino vom Neo-Realismus inspiriert. Darunter der erste Film von Charles Burnett. Die Bewegung war Ende der 70er, Anfang der 80er sehr groß und es ist im Rückblick tragisch, dass sie nach fünf Jahren wieder verschwand. Wenn man es dann globaler betrachtet, ging Ende der 70er das New Hollywood zu Ende und, fast noch wichtiger, das goldene Zeitalter des Experimental- und Avantgardefilms war vorbei. Frühere Experimentalfilmer haben angefangen narrativ zu arbeiten. Dafür ist „Variety„, der Eröffnungsfilm der Retrospektive, das beste Beispiel. Bette Gordon hat vorher Experimentalkino gemacht und dann wurde ihr das Narrative wichtiger. Und so ging es vielen. Es war wie eine Bewegung weg vom Experimentellen, nicht Mainstream, Richtung Spielfilm.
Nach welchen Kriterien hast du die Filme zusammengestellt?
Es war wichtig, dass es keine „Best Of-Reihe“ wird, denn dann würden wichtige Filme, wie die von Jarmush oder Lee fehlen. Ein Kriterium war, Filme zu zeigen, die nicht oft im Kino zu sehen sind. Ich wollte zeigen, dass es außer den bekannten Filmemachern auch noch andere gab. Mir ist es ebenso wichtig innerhalb der zwölf Filme zu zeigen, welche Richtungen es gab. So wie die L.A. Rebellion, die mit zwei Filmen vertreten ist und dem regionalen Kino mit „Alambrista!„, das im Ländlichen spielt. Außerdem das New Queer Cinema mit „Parting Glances„. Gleichzeitig sind es Filme, die auf unterschiedliche Art und Weise die Gesellschaft widerspiegeln, im Politischen wie im Sozialen. Das unabhängige Kino der 80er war eine der wichtigen kritischen Stimmen der USA während der Reagan-Ära. Viele Filme haben ganz klare Positionen bezogen.
Also geht es um den Zeitgeist der Gesellschaft?
Auf jeden Fall. Das sind wichtige Dokumente. Zum Teil kann man sie heute auch als Dokumentarfilme sehen. Sie zeigen Momente, die man so heute nicht mehr kennt.
„Sex, Lies and Videotape“ von Soderbergh bezeichnest du als einen Endpunkt. Warum hast du ihn trotzdem im Programm?
Der Grund dafür ist, dass der Film oft als Anfang genommen wird. Für mich ist er aber ein Endpunkt. Ich finde es ist viel spannender sich den Film in Bezug auf die 80er anzuschauen als auf die 90er. Die Videotechnologie ist eine Technologie der 80er und nicht der 90er. Und auch der „Böse“ im Film, der Finanz-Anwalts-Typ, ist heute wieder aktuell und vor allem ein Thema der 80er mit der Wall Street – „Greed is good“, hat Michael Douglas als Gordon Gekko gesagt. Das kommt genau aus dieser Welt. Und ich möchte den Film als Produkt seiner Zeit und nicht als Versprechen für die Zukunft zeigen, als was er meistens gesehen wird. Das bricht zwar in dem Hinblick meine Regel „Keine bekannten Filme“, aber ich finde es spannend ihn als Ende zu sehen, der noch mal gewisse Themen aufgreift und etwas Gesellschaftliches reflektiert, was man selten mit dem Film in Zusammenhang bringt.