„Finsterworld“-Interview mit Frauke Finsterwalder



Michael Maertens spielt diesen Claude. Er schafft es als Fußpfleger mit Hilfe seines Hornhaut-Hobels quasi mechanisch die psychische menschliche Hülle aufzubrechen. Was verbergen Menschen?
Geheime Wünsche und ihre Verletzlichkeit. Claude ist von daher besonders, weil er als einzige Figur im Film sozial intakt ist. Hinter allem in Finsterworld steckt die Frage, was ist normal und was nicht. Was tun Menschen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen? Und wer bestimmt eigentlich, was normal ist?

Roland Zehrfeld spielt den Polizisten Tom, hinter dem sich privat ein Kuscheltier verbirgt, das sich nach Berührung sehnt. Was geht Tom ab?
Ich habe das Drehbuch in Argentinien geschrieben. Ein Land, in dem sich Menschen ständig berühren und sich auf der Straße küssen. In Deutschland, finden solche intentionslosen Berührungen nicht statt. Der Furry-Episode liegt außerdem die Geschichte der Inderin Amma zugrunde, die durch die Welt reist und Menschen umarmt. In München standen 2.000 Menschen an einem Wochenende Schlange, um sich von ihr umarmen zu lassen. Das scheint extrem, spricht aber für eine große Sehnsucht nach Nähe in unserer nordeuropäischen Gesellschaft.

Sie leben in Italien und Afrika. Ist der Film eine Interpretation Ihrer deutschen Heimat?
Finsterworld ist meine Weltsicht und keine allgemeine Aussage über Deutschland oder wie Deutschland ist. Aber natürlich geht es mir um auch um deutsche Besonderheiten.

Pflegen Sie Traditionen?
Da sind keine konkret deutschen Eigenheiten, die ich vermisse. Eher Dinge, die ich aus der Kindheit kenne, an die ich melancholisch zurückdenke. Die haben weniger mit Deutschland und mehr mit meinem persönlichen Leben zu tun. Außerdem hätte ich dieses Drehbuch wohl nicht ohne ins Exil zu gehen schreiben können.

Ist diese Distanz notwendig, um eine Gesellschaftsstudie wie Ihren Film auf den Weg zu bringen?
Als Künstler bewegt man sich häufig weg aus seinem bekannten Raum. Erst aus der Distanz beginnt man über Dinge nachzudenken, die einem sonst alltäglich vorkommen. Ohne Abstand nimmt man die hin und hinterfragt sie nicht ständig.

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