Zurückgespult #10: Cinema-On-Demand
Kino für die Crowd
Andreas Schaffer holte die Plattform jetzt nach Deutschland, genauer gesagt nach Berlin und Potsdam. Der 56-Jährige sichert sich damit schlicht seine Rente, denn als ehemaliger Filmvorführer hat er im Zeitalter der digitalisierten Filmkopien nicht mehr viel zu tun. Zum Glück sorgte er rechtzeitig vor: In seinem eigenen Filmarchiv lagert er 16.000 rare Filmkopien, die nun digitalisiert werden, täglich kommen 40 bis 50 digitale Titel dazu. Das ganze funktioniert dank einer Kooperation von 25 Programmkinos aus Berlin und Potsdam, die in dem Konzept eine win-win-Situation erkennen – schließlich hapert es auch bei ihnen an Zuschauern, die sich die regulär laufenden Filme anschauen, anstatt sie zuhause auf den einschlägigen Portalen illegal zu streamen. Den Erlös aus einer Vorführung teilt sich Schaffner mit den Kinos und dem Verleih. Anfragen aus ganz Deutschland hat er bislang zurückgewiesen, er will sich lieber auf das Publikum im Raum Berlin beschränken, das er seit 30 Jahren kennt.
Neben Klassikern wie „Die Feuerzangenbowle“ oder Actionthrillern aus den Siebzigern, wie John Carpenters „Assault – Anschlag bei Nacht„, bietet das Archiv von Schaffer aktuell laufende Filme an, zur Zeit etwa den neuen Horrorfilm von Marvin Kren, „Blutgletscher„, der am 6. Februar in die deutschen Kinos kommt. Eine Auswahl, die von echtem Expertentum zeugt und eben nicht mit dem Massengeschmack eines Video-on-Demand-Portals zu vergleichen ist.
Aber gerade weil die Cinema-On-Demand-Idee wahrscheinlich eher eine Nischenangelegenheit für Cineasten bleiben wird, ist damit natürlich auch keine dauerhafte neue Lösung für um Gelder bangende Programmkinos und arbeitslose Videothekare geschaffen. Dass Andreas Schaffner mit seiner Geschäftsidee trotzdem schneller Erfolg haben wird, als die bisher für’s deutsche Netz erreichbaren Video-on-Demand-Anbieter, kann dennoch sein. Durch Kooperationen mit Fernsehsendern will er nämlich auch die erfolgreichen TV-Serien aus Amerika auf die Kino-Leinwand holen. Und für junge Filmemachern ohne Verleih soll we want cinema ebenfalls eine Plattform werden, mit der er sich „virale Hits“ erhofft. Es bleibt abzuwarten, wer am Ende das Rennen macht. In Amerika hat sich jedenfalls das Netz durchgesetzt. Da hat VoD-Gigant Netflix mit 100 Millionen Produktionskosten die Serie „House of Cards“ (Anm.: Die ersten beiden Folgen der 2. Staffel sind am 16.2.2014 als Special der Berlinale zu sehen.) komplett selbst produziert und mit Größen wie Regisseur David Fincher eine weitere erfolgreiche US-Serie erschaffen. Die prominenten Headliner wie Kevin Spacey und Robin Wright schwärmen wo sie können von ihrem neuen Arbeitgeber und den Freiheiten, die sie beim Drehen hatten – und Netflix verdient sich eine goldene Nase.
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Ich wäre ja weiterhin für Pluralismus: Die Videothek meines Vertrauens um die Ecke, Video-on-Demand für den schnellen Filmhunger, Programmkinos für den schönen Kinoabend mit Freunden und das gute alte Fernsehen als Überraschungsei nach einem anstrengenden Arbeitstag – warum vertragt ihr euch nicht endlich?
Text: Cosima M. Grohmann