Ken Loach im Interview zu „Jimmy’s Hall“

"Wir müssen zurückschlagen!"


Bei Loach spielen die Musiker live und dazu wird getanzt. Foto: Pandora

Bei Loach spielen die Musiker live und dazu wird getanzt. Foto: Pandora

Sie haben eine neue „Jimmy’s Hall“ gebaut, statt in ein Studio zu gehen…
Ja, das war ein toller Ort und den haben wir auch wirklich wieder abgebrannt, wie es im Film zu sehen war. Das fühlte sich ein wenig traurig an. Die Musiker, die darin im Film spielten, sagten, dass sie zurückkommen wollen, um hier wieder zu spielen. Denen war nicht klar, dass wir das Ding abbrennen würden. Das war solide Handwerksarbeit. Drinnen war das Licht toll. Es half uns zu verstehen, was da für Jimmy und seine Leute dranhing.

Sie engagierten Musiker und Ihre Darsteller tanzten zur Musik, die die spielten. Das ist eher ungewöhnlich für Filme heutzutage, oder?
Normalerweise wird heute vorher aufgenommen, aber das macht weniger Spaß. Die Musiker genießen es, die Sachen einzuspielen. Sie spielten traditionelle irische Musik – und zwar nicht nur um Touristen zu zeigen, wie es früher mal war. Es entstanden Live-Momente. George Fenton hat die Jazzmusiker zusammengestellt. Ich habe meine Bands immer live spielen lassen, deshalb mache ich damit auch weiter. Es ist sehr einfach das zu drehen. Die einen spielen, die anderen tanzen, du drehst es und Bingo, hast du es. Wo ist das Problem? Ich finde es sehr merkwürdig, dass das heute nicht mehr so gedreht wird. Bei vielen Sachen erzählt einem jemand, dass man es heute anders macht.

Wenn Sie Damals mit Heute vergleichen, was hat sich verändert?
Ein Zwang kann in noch so vielen Filmen erzählt werden, er bleibt ein Zwang. Dazu brauchen wir nicht die katholische Kirche, die heute viel schwächer ist, aber weiter von dir verlangt, dass du glaubst. Genauso die Märkte, deren Orthodoxie besteht darin, dass alles privatisiert sein muss, Arbeit flexibel zu verrichten ist, Gewerkschaften schwach sein sollen. Das sei die einzige Möglichkeit zu leben. Dagegen kannst du zwar in der Zeitung anschreiben, aber du dringst nicht in den Hauptdiskurs vor. Sie erhalten ihre Vorstellungen. Es gibt diese Rechtgläubigkeit, der du nicht entkommen kannst. Darauf muss man aufpassen, denn sie unterstützt die Reichen. Gott sagt, die Reichen werden reich sein und die Armen werden arm sein, daran kann niemand etwas ändern und wer es versucht, kommt in die Hölle. Der Markt sagt uns, dass die Reichen ein Gehalt einstreichen sollen, das 200-mal so hoch ist, wie das der Armen. Wenn du damit nicht einverstanden bist, bist du ein Linksaußen oder Exzentriker.

Würden Sie sagen, dass sich die Situation in den letzten zehn Jahren verschlechtert hat?
Das begann mit Margaret Thatcher. Die Briten haben damit begonnen und heute macht Angela Merkel damit weiter. Wenn sie der deutschen Fußball Nationalmannschaft zujubelt, ist das Tarnung für das, was sie tut. Es wird schlimmer.

Thatcher hat Ihnen Probleme bereitet, oder?
Das hat wenig mit einer Verschwörung zu tun, sondern ist Fakt. Eine Reihe meiner Dokumentationen wurden damals verboten. Sie enthielten keine Vulgärsprache oder explizite Darstellung von Nacktheit, was das objektiv gerechtfertigt hätte. Es ging darum, dass die Gewerkschaften links standen und Menschen zum Streik auf die Straße brachten. Die Realität war aber die: Als Thatcher und die Tories ihre Arbeit aufnahmen, hielten die Gewerkschaftsführer ihre Arbeiter ruhig. Die Mitglieder wollten streiken, wollten gegen Tarifkürzungen vorgehen, aber ihre Anführer sagten nein. Wir drehten vier Filme, in denen Arbeiter sagten, dass sie aufbegehren wollten, aber von den Gewerkschaftsführern gehindert wurden. Wir hatten zahlreiche Beispiele, aber diese Geschichte durfte nicht erzählt werden.

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