Ken Loach im Interview zu „Jimmy’s Hall“

"Wir müssen zurückschlagen!"


Ken Loach, der Großmeister des proletarischen Kinos. Foto: Pandora

Ken Loach, der Großmeister des proletarischen Kinos. Foto: Pandora

In Cannes, wo er seit 1979 Stammgast ist, feierte auch „Jimmy’s Hall“ seine Weltpremiere im Wettbewerb um die Goldene Palme. Ebendort deutete Regie-Legende Ken Loach auch das Ende seiner großen Karriere an. Beim Interviewtermin am späten Nachmittag in Berlin wirkt der mittlerweile 78-jährige auch etwas erschöpft vom Tag. Doch während er über seine Suite und die peinliche Tisch-Deko lästert und behauptet, nicht über wie Fußball-WM sprechen zu wollen, um kurz darauf den „viel zu frühen Rücktritt Philipp Lahms“ zu bedauern, wirkt der kluge Mann viel jünger. Kein Wunder also, dass er am Ende eines hochinteressanten Gesprächs über seinen Helden, den irischen Rebellen Jimmy Gralton, die schwierige Lage der Arbeiterklasse und das sich verändernde Filmemachen, zurückrudert und doch schon wieder mit einer Fortsetzung seiner Karriere liebäugelt.

Mister Loach, Ihr aktueller Film „Jimmy’s Hall“ steht offensichtlich in Verbindung zu ihrem 2006er-Cannes-Gewinner „The Wind That Shakes The Barley„. Was verbindet die beiden Protagonisten Damien (damals gespielt von Cillian Murphy) und Jimmy Gralton?
Ken Loach:
Die beiden teilen eine ähnliche Vorstellung von Irland. Damian war ein Arzt, der sich Politik viel intellektueller genähert hat. Jimmy dagegen ein harter Arbeiter, hat in Minen geschuftet, aber nicht aktiv im Krieg gekämpft, weil er in der Zeit im Ausland war. Das sind unterschiedliche Erfahrungen.

Was fasziniert Sie an Gralton?
Einiges! Einerseits ist er ein politisches Schwergewicht, aber gleichzeitig weiß er, wie man sich amüsiert. Viele auf Seiten der Linken arbeiten mit Ängsten und zitieren aus Büchern. In ihren Leben ist kein Platz für Spaß. Bei Jimmy ist das anders. Er genießt es unheimlich, die Kids tanzen zu sehen.

Aber da ist auch die Schattenseite…
Seine Geschichte zeigt, wie Bewusstsein kontrolliert wird, einen Mikrokosmos der Kontrolle. Dieses Tanzlokal, „Jimmy’s Hall„, steht symbolisch dafür. Jimmy und seine Freunde erschaffen etwas auf freiem Raum – und zwar gegen den Willen der Kirche und der Landbesitzer. Es gab einen klaren Konflikt. Heute wäre alles viel komplizierter, künstlicher und fragmentierter. Da sind die BBC und das Internet, die Presse und es gibt einen politischen Diskurs. Das Prinzip ist das Selbe, aber die Details sind komplizierter. Damals lebten die Leute dort auf dem Land und die Einflussgrößen waren klarer zu identifizieren.

Sie haben das Gelände besucht, auf dem einst „Jimmy’s Hall“ stand. Wie hat sich das auf Sie und den Film ausgewirkt?
Auf historischem Grund zu stehen, löst immer etwas aus. Du denkst, da haben sie getanzt und dann kam der Priester, um das zu unterbinden. Wir gingen zu Jimmys Elternhaus, das liegt ganz in der Nähe und steht leer. Wir kletterten in den Speicher, aus dessen Fenster er geflohen ist. Da läuft dir ein Schauder über den Rücken. Draußen ist es sumpfig, man kann dort kaum laufen. Ich verlor zur großen Erheiterung des Teams einen Schuh in diesem Schlamm.

Wo lagen die größten Herausforderungen?
Die Landschaft hat sich verändert und es gab viele Kleinigkeiten, auf die wir achten mussten. Aber ich will mich nicht beschweren. Es ist ein Privileg Filme zu machen. Es gibt Menschen, die richtig arbeiten müssen. Die arbeiten ihr ganzes Leben bis zur Erschöpfung.

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