Olivier Assayas im Interview zu „Die Wolken von Sils Maria“
Binoche hat den Film initiiert
Und doch braucht es eine besondere Verbindung zwischen Regisseur und Schauspielerin, um eine solche Rolle zu übernehmen, oder?
Es geht in erster Linie um Vertrauen. Juliette und ich vertrauen einander, weil wir uns seit Ewigkeiten kennen. Wir haben gemeinsam angefangen. Ich schrieb das Drehbuch zu „Rendeszvous„, ihrem ersten Film. Damit begann ihre Karriere. Wir haben zusammen am Ensemble-Film „Summer Hours“ (2008) gearbeitet. Sie war es, die mich angerufen hat und fragte, ob wir nicht zusammen arbeiten wollen. Sie wollte die Hauptrolle. Binoche hat den Film initiiert. Aber obwohl sie mir vertraut, hatte sie auch Angst und will sich in dem Film nicht sehen. Sie ist unzufrieden mit ihrem Körper, denkt, dass sie einige Kilo zu viel hat. Für mich macht genau das im Film ihre Schönheit aus. Deshalb mag man sie.
Der Film lebt vom vielschichtigen Verhältnis zwischen Binoche und Stewart. Während die beiden Frauen nahezu jeden Bereich des Daseins streifen, bleibt die Sexualität völlig außen vor, obwohl man sich das gut hätte vorstellen können, bei dem innigen Verhältnis der beiden zueinander. Wieso?
Es gibt winzige Anspielungen. Es ist da. Maria ist eine Schauspielerin, die eine Rolle übernimmt, in der sie auch für Frauen anziehend ist. Die Vorbereitung auf die Rolle verändert ihre Persönlichkeit. Sie ist eine andere als die, die wir anfangs kennenlernen. Valentine dagegen ist viel mehr klar, was vor sich geht. Sie weiß um diese Anziehung – und geht damit um.
Weiterlesen: Emily Grunerts ausführliche Kritik „Zwischen Jungbrunnen und Anti-Aging„ zu die „Die Wolken von Sils Maria„.
Stewart wirkt gestresster als Binoche. In der Szene, in der Binoche sich am See auszieht und wunderbar natürlich wirkt, wie sie badet, erscheint Stewart sehr prüde und amerikanisch zurückhaltend…
Das ist interessant, da das ihre Reflexion des Films ist – und nicht das, was ich mir vorgestellt habe. In der Szene gab ich den Dialog vor, aber das Entkleiden sollte so natürlich wie möglich sein. Die Kamera ist da und fängt alles ein, egal was die tun. Klar war nur, dass beide ins Wasser springen, aber der Weg dahin, wie beide das machen, das passierte einfach. Ich dachte, dass Juliette der jungen Kristen ins Wasser folgen würde, aber beim Dreh kam alles ganz anders. Plötzlich war Juliette nackt und rannte ins Wasser. Das ist Juliette! Sie ist einfach anders.
Wenn Maria an diesem Berg sitzt und die Musik ertönt, entstehen nostalgische Momente. Wie kamen Sie zum Setting und sind nicht zum Beispiel in die Provence gefahren?
Ich wollte keine neutrale, keine Postkarten-Landschaft, keinen schönen Hintergrund. Der Film handelt vom Vergehen der Zeit. Ich wollte eine verwunschene Landschaft, in der Geister leben könnten. Die Landschaft ist sehr wichtig und erzählt uns über Gut und Böse. Diese Wolken sind schön, aber eben auch mysteriös. Ich mochte die Ambivalenz.