Interview mit Fernando León de Aranoa zu „A Perfect Day“

Wie Krieg die menschliche Natur verändert



Im Film gibt es ein schönes Zitat, als Mambrú zu B sagt: „Du hast keine Freunde Zuhause – Nutten zählen nicht…“. Die Männer wirken da ähnlich wie Soldaten, die nicht wieder in ihren Familien und bei ihren Freunden ankommen. Aus Ihrer eigenen Erfahrung mit Menschen, die sich bei Hilfsorganisationen engagieren heraus, haben die etwas gemeinsam?
Das geht auf ein Gespräch zurück, das ich in Somalia führte. Eine Helferin erzählte mir auf einem dieser endlosen Road-Trips, die zur Arbeit gehören, wie schwierig es ist, mit diesem Job Beziehungen zu führen. Sie erzählte mir von den drei „M“: „Missionarys, Mercenarys and Misfits“. Also Missionare, Söldner oder Außenseiter. Missionäre sind die, die ankommen und helfen wollen. Sofort, so wie Sophie im Film. Söldner sind in diesem Kontext eher Profis, wie Mambrú. Sie machen den Job seit zwanzig Jahren und wissen, was zu tun ist und was möglich ist. Die Außenseiter finden sich nirgends mehr zurecht, wie B im Film. Die kennen kein normales Leben mehr, können mit Park-Spaziergängen am Sonntag nichts anfangen und haben keine Freunde, die mit ihnen spazieren würden. Das sind die drei Typen Mensch, die es da gibt. Sie eint, helfen zu wollen.
Im Film zeigt sich die Diskrepanz zwischen dem Leben im Krisengebiet und Zuhause in den Gesprächen von Mambrú mit seiner Frau, die am Funkgerät mit ihm die Farbe der neuen Küche dringend besprechen muss, während er im Nirgendwo ist. Das ist mir so passiert, als ich vor Jahren in Uganda war. Das ist das Leben. Dort denkst du, dass das alles so unwichtig sei, aber das ist das Leben.

Welche Fähigkeiten brauchen humanitäre Helfer?
Sie müssen Distanz schaffen können, zwischen dem Erlebten und sich. Da geht es um Humor, der ist die leichteste Möglichkeit Distanz zu wahren. Anfangs war das für mich sehr schwer zu verstehen, aber er hilft, um Dinge Beiseite zu schieben und weiter zu machen. Das eine Problem wurde gelöst – oder auch nicht. Es geht darum, das nächste Problem anzugehen. Es macht keinen Sinn, über die großen Probleme der Welt nachzudenken und zu versuchen, die zu lösen. Es geht darum, Leben zu retten und sich darauf zu konzentrieren. Für mich war wichtig, im Film diese spezielle Energie zu transportieren, die immer weiter antreibt, obwohl schlimme Dinge passieren. All das, was du erlebt hast, holt dich irgendwann wieder ein – aber nicht in dem Moment, in dem du arbeitest.

In der vielleicht brutalsten Szene des Films zieht ein Junge eine Waffe und bedroht sein Gegenüber. Die Kinder streiten um einen Fußball. Wie kann eine Gesellschaft, in der Kinder gelernt haben, sich mit Waffen zu behaupten, jemals wieder friedlich leben?
Das ist Teil des Problems. In Spanien kennen wir diese Bruderkriege, die der Balkan auch erlebt hat, das sind die schlimmsten, sie sind sehr grausam. Ein Kind mit einer Waffe ist sicher das brutalste, was einem begegnen kann. Ganz schrecklich. So etwas dauert Jahre. Eine solche Erfahrung ist wie ein lange wirkendes Gift.

A Perfect Day“ basiert auf der Buchvorlage „Dejars Llover“ von Paula Farias. Wie viel Buch steckt im Film?
Viele wichtige Elemente stammen aus dem Buch, die Hauptidee und insbesondere der Anfang und das Ende. Das Buch beginnt – genau wie der Film – mit der Leiche im Brunnen, die da raus soll. Die Autorin ist eine gute Freundin, aber nachdem sie den Film gesehen hat, fragte sie mich, wo denn ihr Buch geblieben sei. Den Mittelteil habe ich stark verändert, im Buch nehmen das Gedanken und Erinnerungen der Figuren deutlich mehr Raum ein. Ich habe neue Figuren eingeführt, wie das Kind oder die beiden Frauen. Auch die Suche nach dem Seil, die den Film trägt, war nicht im Buch. So konnte ich einige Action einbringen. Beide laufen auf dasselbe Ende zu, allerdings auf unterschiedlichen Wegen.

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