Interview mit Fernando León de Aranoa zu „A Perfect Day“

Wie Krieg die menschliche Natur verändert


Benicio del Torro und Tim Robbins führen den starken Cast von "A Perfect Day" an. © x-verleih

Benicio del Toro und Tim Robbins führen den starken Cast von „A Perfect Day“ an. © x-verleih

Der Film beschreibt nicht einmal zwei Tage im Leben dieser Menschen. Wie haben Sie diesen speziellen Ton erzeugt, der den Film trägt?
Wir konnten nicht viel Proben, daher war das die schwierigste Aufgabe, diesen Ton zu finden. Dieser Ton ist im Drehbuch, aber er musste mit den Schauspielern entstehen. Die haben dem Ton vertraut. Gerade bei Tim Robbins war das wichtig, denn auf dem Rücken seines B trägt der Film viel aus. Er ist da Risiken eingegangen, indem er sich ungeschützt darauf eingelassen hat. Die Grenze war immer der Respekt vor den einzelnen Figuren, das ist die wichtigste Regel meiner Arbeit: Bringe nie Figuren dazu, etwas zu tun, das sie nie machen würden.

Haben Sie Ihre Darsteller mit Biographien versorgt?
Ja, wir haben uns da an den drei erwähnten Typen orientiert. Tim Robbins gab ich mit, dass seine Figur, wenn sie Musik wäre, Punkrock sei. Immer nur Action, manchmal auch bereit, albern zu sein. Niemand kann immer unter Strom stehen, nicht als humanitärer Helfer. Ich brachte sie mit echten Helfern zusammen, mit denen ich befreundet bin. Einige von denen kamen einige Tage, bevor wir mit dem Dreh begannen, aus Syrien zurück nach Spanien. Die Schauspieler sollten dieses Verrückte spüren. Es geht nicht immer um Protokolle und Regeln.

Sie kennen den Balkan, wo der Film spielt. Wie war Ihr Eindruck von der Region?
Ich verarbeite im Film Erfahrungen der letzten 20 Jahre. Ich drehte einige Dokumentarfilme in Krisenregionen und war 1995 für eineinhalb Monate auf dem Balkan. Das war mitten im Krieg. Neben dem Drama und den Schmerzen und all dem, was wir aus den Nachrichten kennen, habe ich dieses irrationale Gefühl und die Absurdität mitgenommen. Ich erinnere mich an Menschen, die nicht erklären konnten, was um sie herum passiert. Da war viel Konfusion und Chaos. Das hat mich beeindruckt. Um den Cast zusammen zu stellen und Locations zu finden, kehrte ich nach Herzegowina, in die Gegend um Mostar zurück, wo ich damals den Krieg verbracht habe.

Deutschland diskutiert aktuell sehr intensiv über die Flüchtlingsthematik. Eine Frage dabei ist die Definitionsgrundlage, unter welchen Umständen ein Staat als sicher gilt und wann nicht. Der Balkan wurde nun als sicheres Herkunftsland bestimmt – und das, obwohl gleichzeitig die deutsche Armee dorthin entsandt wird. Das klingt paradox. Halten Sie den Balkan für sicher?
Ich denke ja. Ich war in den letzten Jahren immer wieder dort und ich denke ja. Die Leute sprechen noch darüber, sehen auch Probleme in Zukunft auf sie zukommen. Das betrifft speziell die Grenzregionen, die ja früher die Frontlinien waren. Im Film kamen die Schauspieler aus allen Ecken des Balkans, da arbeiteten Serben, Kroaten und Bosnier zusammen in Spanien. Sie unterhielten die sich über den Krieg und was vor 20 Jahren alles geschehen ist. Aber: Die wollen das hinter sich lassen. Das überrascht mich, denn es sind erst 20 Jahre seitdem vergangen.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

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