Lars Eidinger im Interview zu „Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“

Eidinger: "Das hat mit Macht zu tun, das bereitet mir Lust"


Lars Eidinger mit Victoria Schulz in “Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern”. (c) Alamode Film

Lars Eidinger mit Victoria Schulz in “Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern”. (c) Alamode Film

Sie haben als Schauspieler das Glück und auch die Fähigkeiten, sehr unterschiedliche Rollen zu spielen und so eine sehr große Bandbreite abzudecken. Ihre Rolle in „Alle anderen„, in der Sie einen eher in sich gefangenen, jungen Mann spielen, veränderte die Wahrnehmung von Ihnen…
Die Rolle damals veränderte für mich alles, von einem auf den anderen Tag. Man darf sich nichts vormachen, den Film sahen im Kino 200.000 Zuschauer, er war kein Blockbuster – und doch bekam ich von da an ganz andere Angebote. Angebote, die sich am Niveau von „Alle anderen“ orientierten. Keinen Schrott. Es waren Leute, die sich einen solchen Film angucken und einen neuen mit mir machen wollten. Jemand, der eine Soap macht, guckt sich „Alle anderen“ nicht an. Das ist auch ein Grund dafür, warum ich der Bild-Zeitung keine Interviews gebe. Deren Leser kommen nicht zu uns ins Theater. Jemand, der so doof ist, die Bild-Zeitung zu lesen, der ist auch zu doof, um zu verstehen, was wir da auf der Bühne verhandeln. Ich muss diese Leute nicht missionieren. Es ist einfach nicht meine Welt. Ich habe durch das Theater das Glück, dass man mir ein großes Rollenspektrum zutraut. Hätte ich es nicht, würde ich wohl die nächsten Jahre Chris in anderen Filmen spielen. Mich hat nur damals auf der Berlinale gekränkt, dass Birgit Minichmayr für ihre Darstellung der Gitti viel mehr Aufmerksamkeit bekommen hat.

Was hat Sie gekränkt?
Ich hatte das Gefühl, dass Leute, die mich nicht kannten, dachten, der Typ, der ist halt so. Die haben nicht gesehen, dass das eine schauspielerische Leistung ist. Mittlerweile könnte ich das als Kompliment verstehen. Schaut man sich „Hamlet„, „Richard III.“ oder eben „Dora“ an, sieht man, dass mein Spiel sehr facettenreich ist. Ich spiele ja nicht den Chris im schwarzen Anzug.

„Dora“ spielt in Berlin. Sie sind Berliner, sind in der Stadt geboren. Die Stadt unterliegt einem starken Wandel. Wie nehmen Sie diesen wahr?
Das ist schon immer der Reiz an Berlin gewesen. Die Wende hat das verstärkt. Die Stadt hat im Positiven wie Negativen etwas sehr schnelllebiges. Bist du zwei Wochen nicht hier, findest du eine andere Stadt vor, die sich täglich neu erfindet.

Entstehen dadurch auch Probleme für die Stadt?
In Berlin ist die größte Gefahr, die Tendenz zur Monokultur. Cafés sehen dann alle gleich aus und es gehen nur Leute rein, die einer gewissen Szene angehören und alle in etwa gleich alt sind. Ein Jahr später gibt es die nicht mehr, weil die sich nicht immer selber begegnen wollen. Die sehen sich im anderen gespiegelt. Es ist wichtig für eine Gesellschaft, dass sie durchmischt ist. Deshalb wohne ich in Charlottenburg, da geht es. Man sitzt in einem Café mit Jungen und Alten. In Mitte oder Neukölln ist das schwieriger. Das ist ein Berlin-Ding. Ich glaube, auch wenn ich immer so tue, als wäre ich kein so großer Berlin-Fan, weil ich hier geboren bin, gibt es im Sommer Orte, wie den Thai-Park, die absolut einzigartig sind. Das gibt es in keiner anderen Stadt. Überall sonst, wäre das ein Hotspot, in Berlin findet es nebenbei statt. Berlin ist sehr facettenreich, das gefällt mir. Berlin hat viel Platz. Ich kenne kaum eine Stadt, die so viel Platz hat und da ist eben auch viel Raum für Neues. Ich liebe Paris. Aber es bewegt sich nicht. Nur wer sich verändert, bleibt sich treu.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ von Stina Werenfels läuft feierte seine Premiere auf der 65. Berlinale und läuft seit dem 21. Mai 2015 bundesweit in den Kinos.

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