Interview mit Grit Lemke über die Initiative Festivalarbeit
Lemke: "Großes Potenzial für Gewerkschaftsarbeit"
Künstlerische Arbeit wird generell schlechter bezahlt
Drei von euch vier Iniator/-innen sind Frauen. Ist das Zufall – oder sind Frauen auch in der Film- und Festivallandschaft besonders von prekären Arbeitsbedingungen betroffen?
Das ist kein Zufall, dass wir drei Frauen sind. Es haben sich auch viel mehr Frauen gemeldet. Vielleicht arbeiten mehr Frauen in dem Bereich – wobei ich jetzt nicht sagen will, dass sich keine Männer gemeldet hätten. Es haben sich auch Männer gemeldet, die im technischen Bereich arbeiten. Die sind im Vergleich zu uns Frauen wirklich besser bezahlt. Oft ist eine Technikerstunde immer noch viel mehr „wert“ als künstlerische Arbeit. Die wird generell schlechter bezahlt. Wenn man die ungleiche Bezahlung anspricht, heißt es sofort: „Das hat doch nichts damit zu tun, dass der ein Mann ist.“ Aber die technischen Bereiche sind nun mal eher die traditionellen Männerbereiche. Das müssen wir thematisieren.
Eine weitere klassische Konstellation ist auch im Festivalbetrieb extrem verbreitet: Ein Großteil der Leitungspositionen ist noch immer von Männern besetzt – und dahinter kommt das ganze Ameisenheer von Frauen auf der zweiten Leitungsebene. Das ändert sich, aber trotzdem muss man darauf achten – bis hin zu der Tatsache, dass eben die ganze Last von Kindererziehung etc. zumeist auf den Frauen lastet. Wenn ein Großteil der Arbeit bei Festivals von Frauen gemacht wird, ist das ein wichtiges Thema.
Im Interview mit Deutschlandradio Kultur erwähntest Du, dass Du es schwieriger findest, jüngere Leute zu mobilisieren und solidarisieren.
Wir haben die Daten noch nicht zusammengetragen, aber mein Eindruck ist schon, dass gerade jüngere Kolleginnen und Kollegen sich eher dem Konkurrenzdruck ausgesetzt fühlen – und sich dem beugen und das eher als ein Einzelkämpferfeld betrachten. Man merkt aber nach ein paar Jahren, dass man in dem Job als Einzelkämpfer nicht weit kommt. Man ist auf extrem gute Netzwerke angewiesen, wenn man in diesem Bereich arbeiten möchte.
Vor kurzem gab es den Streik im Babylon:Mitte inzwischen haben auch die Redakteur/-innen von ZEIT ONLINE mit ver.di gekämpft und gestreikt – könntest Du Dir vorstellen, dass ein neuer gewerkschaftlicher Esprit in der Medienlandschaft entsteht?
Das wäre toll! Aber alle, die dort gestreikt haben, waren auch irgendwie angestellt. 80 Prozent der Leute, die sich gemeldet haben, haben etwas dazu geschrieben: „toll!“, „es wird Zeit“, „darauf habe ich schon lange gewartet.“ An der Zeit ist es schon lange. Aber es ist ungleich schwieriger, beispielsweise in den Streik zu treten, wenn man gar nicht angestellt ist. Wenn der Auftraggeber eben sagen kann: Wenn du das nicht machst, warten da noch 500 andere, die es machen.
Ein Satz, den man zum Beispiel von Festivalleitungen hört: „Einen Programmer kriegt man jeden Tag, einen Techniker nicht.“ Das stimmt eben nicht. Jemand, der ein gutes Programm macht, der weiß, wie man ein Gästebüro leitet. Das sind hochspezialisierte Tätigkeiten und da könnten wir ruhig viel selbstbewusster sein. Nicht umsonst gibt es die Festivalnomaden – gerade weil die so spezialisiert sind, reisen die von Festival zu Festival. Die sind nicht so ohne Weiteres zu ersetzen, das weiß jeder, der bestimmte Positionen bei Festivals besetzen muss. Die könnten sich mehr wehren, die bräuchten nur mehr Selbstbewusstsein. Ich glaube nämlich nicht, dass für jede Person von uns, die sagen würde, ich mach das nicht unter diesen Bedingungen, da wirklich 500 andere wären.
Und die Stärke liegt natürlich darin, wenn nun 500 Personen gemeinsam sagen würden: So machen wir das nicht.
Genau darum geht’s.
Am 4. November 2016 organisiert ihr im Rahmen von DOK Leipzig ein Treffen der Festival/-arbeiterinnen. Was wird da passieren?
Es gibt bereits diverse Studien zu Filmfestivals, die entsprechenden Verantwortlichen dieser Studien wollen wir einladen und damit eine empirische Grundlage präsentieren. Es gab noch nie ein Treffen dieser Art, also wollen wir uns erst einmal zusammenfinden und miteinander sprechen. Dann werden wir sehen, ob wir irgendwas gründen und es tatsächlich Sprecher/-innen gibt, die dann bspw. Lobbyarbeit machen. Das scheint ein gangbarer Weg zu sein; die Türen zu Bundestag und ver.di stehen offen. Aber bisher sind wir noch gar nicht legitimiert, um mit denen über irgendetwas zu sprechen. Insofern ist zu überlegen, ob wir nun tatsächlich Leute legitimieren, um mit Politiker/-innen zu verhandeln.
Das Gespräch führte Merle Groneweg.
Der Aufruf der Initiative und Details bzgl. des Treffens am 4. November sind zu lesen auf festivalarbeit.wordpress.com