BFF on the Road: Nippon Connection 2017

Verloren in Tokyo und fröhliche Endzeitstimmung


Von Shinsuke Sato lief ebenfalls die Fortsetzung der Verfilmung einer Anime-Reihe: „Death Note – Light Up the NEW World„, die allerdings durch ihre Durchschnittlichkeit, Humorlosigkeit und prätentiöser Ernsthaftigkeit nur schwer mit dem gleichen Regisseur in Verbindung gebracht wird. Schwerfällig erzählt der Film von der an sich spannenden und originellen Geschichte, die besagt, dass die Götter sechs schwarze Notizbücher auf die Erde schicken, mit denen ein paar Auserwählte – interessanterweise alles nur Männer – über Leben und Tod ihrer Mitmenschen entscheiden können. In einer Aneinanderreihung von Motiven, die man so in jedem zweiten Actionfilm schon gesehen hat, zieht sich der Film künstlich in die Länge und macht das Schauen zu allem anderen als ein Vergnügen.

Unerwarteter weiterer filmischer Höhepunkt des Programms war „Wet Woman in the Wind“ von Akihiko Shiota. Der Titel – eine gewisse Poesie sei ihm hier durchaus zugesprochen – und die Beschreibung als Softporno lassen zunächst einmal eher gemischte Gefühle aufkommen, doch der Film überzeugt durch seine Charaktere und seinen hervorragenden Sinn für Humor. Ein umtriebiger Theaterautor aus Tokio hat sich in die Provinz zurückgezogen, lebt abgeschieden in einem Wohnwagen im Wald und möchte zur Ruhe kommen. Den Frauen hat er erst einmal abgeschworen. Doch er hat seine Rechnung nicht mit der jungen, hartnäckigen Shiori gemacht – der titelgebenden nassen Frau im Wind – die ihm fortan Tag für Tag nachsteigt und ihn provoziert. Der Film ist so etwas wie eine Jubiläumsproduktion des berühmten japanischen Filmstudios Nikkatsu, das in den 1970er und 1980er Jahren über 1000 so genannte „Roman Pornos“ produziert hat und in diesem Jahr sein 45jähriges Bestehen feiert. Das Nippon Connection Filmfestival widmete diesen Filmen in diesem Jahr seine Retrospektive und zeigte unter anderem Klassiker, wie „Night of the Felines“ von Noboru Tanaka oder „The Woman with Red Hair“ von Tatsumi Kumashiro. „Dawn of the Felines“ von Kazuya Shiraishi, der gleich am Eröffnungsabend lief und „Wet Woman in the Wind“ sind Teil dieses „Roman Porno Reboot Project“, bei dem es darum ging, im Geiste der alten Vorbilder junge Regisseure zu animieren, eigene Interpretationen des Genres herzustellen.

Die japanischen Filmemacher zeichnen sich durch eine unglaubliche Produktivität aus: Gleich mehrere Regisseure waren mit mehr als nur einem Film auf dem Festival vertreten und das gleich mit durchschnittlich langen Filmen, die teilweise die 120-Minuten-Grenze knacken. Die Filme sind in der Regel innerhalb einer jährlichen Zeitspanne entstanden, die es den Regisseuren erlaubt, so in sehr kurzer Zeit auf sehr aktuelle Themen einzugehen.

Regisseur Nobushiro Yamashita präsentierte auf der Nippon Connection gleich zwei charmante Tragikomödien: In "My Uncle" geht es um einen zerstreuten Philosophen, der bei der Familie seines Bruders lebt.

Regisseur Nobushiro Yamashita präsentierte auf der Nippon Connection gleich zwei charmante Tragikomödien: In „My Uncle“ geht es um einen zerstreuten Philosophen, der bei der Familie seines Bruders lebt.

SABU alias Hiroyuki Tanaka beispielsweise präsentierte sein Gangster-Familiendrama „Mr. Long„, der auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb seine Weltpremiere hatte sowie „Happiness“ von 2016. Einen Film, der in der ersten halben Stunde eine originelle, schwarze Komödie zu werden verspricht, sich dann aber in ein leider sehr uninspiriertes, gewalttätiges und gefühlt sehr langes Racheepos entwickelt. Alleine der charismatische Hauptdarsteller Masatoshi Nagase (die einen oder anderen kennen ihn schon aus Naomi Kawases stillem Drama „Kirschblüten und rote Bohnen„) vermag, über die Längen und Schwächen des Films hinweg zu trösten.
Als sehr viel gelungener sind die beiden Tragikomödien von Nobuhiro Yamashita zu bezeichnen, der auf dem Festival nicht nur zwei Filme vorstellte, sondern auch in der Nippon Visions Jury saß. „My Uncle“ ist die Geschichte eines nicht mehr ganz so jungen Mannes, der sein Dasein als Philosoph zum Vorwand nimmt, um sich bei der Familie seines Bruders einzunisten und durchfüttern zu lassen. Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive seines Neffen, dessen Hausaufgabe es ist, ein Familienmitglied zu porträtieren. Die Dialoge sind ausgereift und witzig, mit mehr Mut zu einem offeneren und unkonventionelleren Schluss hätte der Film allerdings gänzlich überzeugt.

Ähnliches gilt für „Over the Fence„, den zweiten Film, den Yamashita auf dem Festival präsentierte. Auch wenn der Autor einzelne Klischees über die Geschlechter nicht zu vermeiden weiß, so gelang ihm hier dennoch eine ergreifende Liebesgeschichte zwischen zwei psychisch labilen Menschen, angesiedelt im schönen Hakodate, ganz im Norden Japans. Im Mittelpunkt stehen neben den beiden Protagonisten verschiedene Tiere des dortigen Tierparks und vor allem Vögel als Symbol von Schwermut und Freiheitsdrang spielen eine große Rolle. „Over the Fence“ ist ein ruhiger Film, eine zarte Liebesgeschichte zwischen zwei verlorenen Menschen, der vor allem auch durch die schauspielerische Leistung von Joe Odagiri als Yoshio Shiraiwa und Yu Aoi als Satoshi Tamura überzeugt, denen man ihre verschrobene Verletzlichkeit in jedem Moment abnimmt.

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