BFF on the Road: 25. Jubiläumsausgabe des Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart

25 Jahre ITFS – Mikrokosmen für alle


Der cleane fotorealistische Look hat ausgedient - außer vielleicht beim großartigen "Hybrids". Foto: MoPE

Der cleane fotorealistische Look hat ausgedient – außer vielleicht beim großartigen „Hybrids“. Foto: MoPE

Apropos Alpträume: Die beeindruckende studentische MoPA-Produktion „Hybrids“ (FRA, 2017), die eine darwinistische Unterwasserjagd mehrerer Mutanten aus Fisch und Müll erfindet, war eine der wenigen fotorealistischen 3D-Produktionen im Programm. Vielleicht harmoniert der glatte Hochglanzlook einfach nicht mehr so gut mit der zerfliegenden Schlagzeilenwelt, in der sich alles beständig wandelt und gegenseitig in Frage stellt. Zu der passte eher Nikita Diakurs berührender Ugly„, der seine Premiere bereits beim Animafest in Zagreb 2017 feierte. „Ugly“ schildert in fragmentierten, unglaublich kaputt und oft fehlerhaft wirkenden Bildern, wie eine hässliche Katzenkreatur vor die Hunde geht.

Wie viel Arbeit der Look des Unperfekten erforderte, erzählte der Filmemacher Diakur jenseits des Festivals, bei der FMX. Die FMX, die mit ihrem (um die 280 Programmpunkte umfassenden) Konferenzprogramm die Trends in den Bereichen Animation, VFX, Games und Immersive Media beleuchtet, lud Diakur zusammen mit den Stars der Independent-Szene Réka Bucsi und Chintis Lundgren sowie Sean Buckelew zu den Independent-Talks von „Wild&Strange“ ein. Dort erläuterten sie mit vielen Filmbeispielen ihre Ansätze zum Thema „World Crafting“. Diakur, Bucsi und Lundgren betonten dabei die Wichtigkeit des künstlerischen Zufalls und der freien Assoziation, die oft eher aus dem Bild und einer bestimmten Spielerei mit Technik hervorgeht als aus einer konkreten Botschaft. Ganz schön erhellend, auch für die Protagonist*innen der (und auch dieser) Filmkritik, die so gern nach idealistischen Missionaren und genialen Eingebungen suchen und dabei das handwerkliche Erarbeiten eines Stoffes vernachlässigen.

Live-Animationstheater mit der sputnik-Gruppe: "Der Futurologische Kongress". Foto: Trickfilm-Festival Stuttgart

Live-Animationstheater mit der sputnik-Gruppe: „Der Futurologische Kongress“. Foto: Trickfilm-Festival Stuttgart

Die Arbeit am Stoff, die Einarbeitung des Kreativprozesses in den finalen Look, wie sie Diakur so fulminant zeigt – sie waren auch die bestimmenden Charakteristika der sputnik-Produktion „Der Futurologische Kongress„, die im Theater Rampe mit dem Schauspiel Dortmund zum allerletzten Mal präsentiert wurde. Vier Schauspieler*innen, 100 Animation Plates, drei Tricktische, ein Live-Musiker und Stanislav Lems Sci-Fi-Klassiker sind die Hauptingredienzen des Animationstheaters. Die Geschichte um den Wissenschaftler Tichy, der beim Trip zum Futurologischen Kongress und durch die Einnahme verschiedener Medikamente zur „eigentlichen“ Realität (rote versus blaue Pille) durchdringt, ist eine wahre Tour de Force. Der Stilmittelbruch funktioniert dabei wunderbar, weil er die Zuschauer*innen viel unmittelbarer mit den Zweifeln der Protagonisten an einer irgendwie haltbaren Definition von Wahrheit/Realität konfrontiert als es ein klassisch inszeniertes Narrativ könnte. Und die Auflösung des eigenen Körpers – wie viel Ich steckt in meiner äußeren Hülle? – erscheint hier mindestens genauso kongenial umgesetzt wie in Ari Folmans freier Adaption „The Congress“, die höchstens daran scheiterte, auch dem Nicht-Darstellbaren eine Form geben zu wollen.

Weiterlesen: Hier unsere Kritik zu „The Congress

Als sich das Festival am Samstag seinem Ende näherte, tanzten gerade die Hooligans in aggressiver Uniformität über den Schlossplatz. Während sie sich auf der Leinwand des Open Airs für das kulminierende Tanz-Marschmoment in De Staats Musikvideo „Witch Doctor“ formierten, rückte eine Familie auf der Liegefläche die Campingstühle zurecht; einem anderen Festivalgast fiel das Bier um. Und vielleicht dachte auch irgendwo jemand ganz intensiv zuschauend über Crowd Animation und den Uncanny Valley Effekt nach. Es wuselte jedenfalls, bunt und warm. Die vielen Publika, die das Festival so ausmachen, trafen hier in diesem Augenblick am Schlossplatz kurz aufeinander und schauten gemeinsam gen Leinwand. Danach ging es zack wieder zurück in den eigenen festivalgemachten Mikrokosmos.

Marie Ketzscher

Das 25. Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart fand vom 24. bis 29. April 2018 statt.

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