Interview mit August Diehl zu „Ein verborgenes Leben“ von Terrence Malick

Diehl: "Ich empfinde das Leben als skandalös kurz"


August Diehl spielt in „Ein Verborgenes Leben“ Franz Jägerstätter. © Pandora/ Reiner Bajo

Schauspieler August Diehl spielt in „Ein verborgenes Leben“ den Bauern Franz Jägerstätter. Einen Mann, der instinktiv gegen die Nazis aufbegehrte. Im Interview spricht er über die Arbeit mit Regisseur Terrence Malick, erklärt, warum Jägerstätter kein klassischer Held ist und über die Probleme der Streitkultur.

Wie war das, als sie die Rolle in „Ein verborgenes Leben“ bekommen haben?
August Diehl:
Malick rief mich an, als ich gerade in Berlin auf der Straße unterwegs war. Es regnete, ich stand in einem Hauseingang, und wir telefonierten eine Dreiviertelstunde lang. Das war ein Malick-Moment: Während wir über das Leben und auch das Leben auf dem Land, über Kinder und das Erwachsenwerden sprachen, beobachtete ich den Regen.
Er ist ein großer Cineast. Ihn kümmert zunächst einmal vor allem das Licht; für ihn gibt es nichts, was wichtiger wäre. Dann kommt lange, lange nichts – und dann vielleicht die Schauspieler. Denn das Medium Film kommt eigentlich ohne Schauspieler aus. Es gibt sicher tausend tolle Filme mit durchschnittlichen oder gar keinen Schauspielern. Es gibt aber keinen einzigen guten Theaterabend mit schlechten Schauspielern.

Terrence Malick gilt als schwieriger Regisseur. Wie war die Arbeit mit ihm?
Der Prozess ist noch nicht zu Ende. Es ist ein ewiger Austausch. Die Arbeit mit Malick ist nicht schwierig, aber eigenwillig. Er lädt einen ein. Man lernt ihn kennen; daraus entsteht eine Wärme, die Dinge entstehen lässt, die ohne diese Wärme nicht möglich geworden wären. Das ist eine unglaubliche Qualität von ihm.

Als Brad Pitt mit Malick für den Film „Tree of Life“ drehte, sollte er sich einfach nur im Licht bewegen, ohne zu wissen, was daraus wird. Der Regisseur übernahm dann in den Film eine Szene, in der ein Schmetterling vorbei flog. Wie war das bei Ihren Dreharbeiten?
Wer die Filme von Malick kennt, hat eine gewisse Vorstellung, was ihn erwartet. Beim Dreh denkt man nicht mehr darüber nach, was das für ein Film wird. Tagelang war es so, dass wir eher zur Arbeit als zum Set gefahren sind; da ging es um Kühe und das Heu. Wir führten ein Leben als Bauern, und er war mit der Kamera dabei. Alle Aufnahmen dauerten im Durchschnitt 28 Minuten.
Als Schauspieler versucht man etwa zehn Minuten lang, etwas planvoll zu tun. Irgendwann setzt man sich auf eine Bank, blickt ins Tal – und das ist unter Umständen genau der Moment, den Malick wollte. Man taucht in seine Welt ein und geht mit auf die Reise; das erschöpft auch. Einmal bin ich auf der Wiese eingeschlafen, und als ich aufwachte, war die Kamera direkt vor mir. Alles wird immerzu gefilmt: Das ganze Leben, die ganze Zeit.

Verunsichern solche 28 Minuten Takes oder lernt man damit umzugehen?
Der Reichtum des Berufs besteht darin, die unterschiedlichsten Menschen kennenlernen zu dürfen. Deren Arbeitsweise muss man adaptieren und denen muss man vertrauen. Man denkt nicht mehr darüber nach, ob etwas gut oder schlecht, spannend oder nicht spannend ist. Man erfüllt diese Arbeitsweise auch nicht, sondern geht mit auf die Reise. Das erschöpft auch, einmal bin ich auf der Wiese eingeschlafen und als ich aufwachte, war die Kamera direkt vor mir. Alles wird immerzu gefilmt. Das ganze Leben, die ganze Zeit.

Löst das den Stress aus?
Nein, das ist Teil der Welt, in die ich mich begeben habe. Es hätte mich eher beunruhigt, wenn beim Aufwachen plötzlich keiner mehr da gewesen wäre.

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