Interview mit August Diehl zu „Ein verborgenes Leben“ von Terrence Malick

Diehl: "Ich empfinde das Leben als skandalös kurz"



Das Landleben wurde in den Dolomiten gedreht. Wie ist es Ihnen dabei ergangen?
Wir haben chronologisch gedreht, weshalb ich die Landschaft bei meinen Gefängnisszenen tatsächlich vermisst habe. Ich bin auf dem Land groß geworden. Es war wie ein anfreunden mit der eigenen Kindheit. Es gab da eine Gruppe von Bauern in Südtirol, die sich das Arbeiten mit alten Werkzeugen zum Ziel gesetzt hat, weil man mit denen an bestimmte Stellen besser rankommt. Die bringen das gerade wieder anderen bei. Das kommt zurück. Das zu lernen war spannend. Ein großer Teil der Vorbereitung war es, Landwirtschaft zu lernen.

Kannten Sie Ihren Franz Jägerstätter?
Nein, den kennt heute kaum jemand; anders als etwa die Geschwister Scholl. Jägerstätter hat keinen aktiven Widerstand geleistet; er verweigerte sich nur. Das ist die leiseste Art des Widerstands und vermutlich der Grund, warum er nicht bekannt ist. Doch es ist zugleich das Starke an seiner Geschichte; sein Nein löst einen Dominoeffekt aus.
Das Nein, das unbequeme „Ohne mich“, wird in unserer Zeit immer seltener. In den 1960er Jahren kam das öfter vor. Heute ist das große Ja bestimmend; Zustimmung zu allem und jedem. Kaum jemand lehnt es ab, Emails oder Handys zu benutzen; alle machen mit.

Ist Jägerstätter ein Held?
Schwierig zu sagen, wir hängen ihm ein Schild um, das sagt, er sei ein Held. Er war es lange nicht. Kaum einer der Menschen, die wir als Helden bezeichnen, machte das, weil er zum Helden werden wollte. Franz Jägerstätter wollte das sicher nicht. Das Gewissen muss sehr stark sein, wenn man sich dagegen stemmt. Das löst bei den Menschen drum herum was aus. So wird dadurch eine große Sache.

Poster: „Ein Verborgenes Leben“. (c) Pandora

Wie haben Sie sich auf Ihn vorbereitet?
Hauptsächlich mithilfe der Briefe der beiden Eheleute; mehr schriftliche Zeugnisse gibt es nicht. Die zu lesen, lohnt sich sehr: Sie stammen von zwei Bauersleuten, die sich bewusst in diesen Konflikt geworfen haben. Man erfährt aus den Briefen, wie sie zueinander stehen und zueinander halten, außerdem allen möglichen Alltagskram.
Er schreibt über Schulden, die bei einem anderen Bauern beglichen werden müssen, oder den Brunnen, der ausgehoben werden soll. Er ist auch im Gefängnis noch Bauer und sehr mit seinem Geburtsort Radegund verbunden. So lautete auch lange der Arbeitstitel des Films.

Wie interpretiert Regisseur Malick seine Lebensgeschichte?
Er ist die ganze Zeit auf der Suche, und wir als Zuschauer entdecken gemeinsam mit ihm. Es ist ein Spielfilm – doch gerade im deutschsprachigen Raum wird das oft fälschlicherweise mit der Realität abgeglichen. Doch „Ein verborgenes Leben“ ist kein Dokumentarfilm, sondern zeigt die persönliche Sichtweise eines Regisseurs.

Seine Religion und sein Glaube geben Jägerstätter im Film Halt. Die Katholische Kirche hat sich nicht von ihrer unrühmlichen Rolle im Dritten Reich erholt und ist dem Fortschritt weiter abgewandt. Welche Rolle spielt die Kirche in Ihrem Leben?
Gar keine. Ich habe den Eindruck, dass der jetzige Pabst versucht, die Kirche dem Volk wieder näher zu bringen, nachdem sie schon etwas sehr abgehobenes hatte. Die Geschichte der Kirche während des Dritten Reichs ist nicht sehr rühmlich. Man hätte mit einem stärkeren kirchlichen Widerstand gegen das ganze Hitlertum rechnen können. Den gab es in Einzelfällen, aber ansonsten war die Kirche eher einer der leichteren Gegner für Hitler.

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