Festivalbericht vom Göteborg Film Festival (29.1.- 8.2.2021)
Der Eröffnungsfilm: TOVE (Zaida Bergroth, 2020 FIN/SE)
„Das“, sagt Tove Jansson (Alma Pöysti) und deutet auf ihre Mumin-Zeichnungen,“sind nur Kritzeleien, die mich von meiner Arbeit abhalten“. Auch ihr Vater, der Skulpteur Viktor Jansson (Robert Enckell ) ist der Meinung, dass die Mumins keine Kunst sind. Der Öffentlichkeit ist das egal, die kleinen, rundlichen Trolle, die irgendwie an Nilpferde erinnern und doch ganz eigen aussehen, werden zum Erfolg, erst in Finnland, dann weltweit.
In TOVE geschieht diese Erfolgsgeschichte im Hintergrund, ist fast Nebensache. Überschattet wird sie einerseits von der zerrissenen Beziehung, die Tove selbst zu ihren Zeichnungen hat. Mit ihren Gemälden, ihrer Kunst, identifiziert sie sich vollkommen, „Ich bin meine Kunst“ sagt sie an einer Stelle. Die Mumins nimmt sie nicht ganz ernst, Kritzeleien eben, mit denen sie später Geld verdient, das ihre Gemälde ihr nicht einbringen. Wir schauen Tove dabei zu, wie sie einen Vertrag mit der britischen Zeitung The Evening News abschließt und mit trockenem Humor, der ihre Enttäuschung kaum zu verbergen mag, erklärt, sie sei als Künstlerin gescheitert. Für Tove sind die Mumins nicht der Mittelpunkt ihres Lebens und Schaffens.
Der zweite Schwerpunkt des Films ist Toves unglückliche Liebe zu Vivica Bandler (Krista Kosonen), für die sie vergebens kämpft und von der sie sich nicht lösen kann. Beides, die Arbeit als Künstlerin und der Schmerz nur halb erwiderter Liebe nehmen im Film mehr Raum ein, als die Erfolgsgeschichte der Mumins. Das ist untypisch für ein Biopic. Normalerweise erzählen Biopics die Biografie ihrer Protagonist*innen und schaffen eine Verbindung zwischen Werk und Leben. TOVE thematisiert stattdessen den Graben zwischen den Mumins, für die Tove bekannt ist und dem Leben, das sie eigentlich leben möchte. Damit stellt der Film ganz allgemein infrage, dass das, wofür eine Person berühmt ist, zwangsläufig ihre beste und liebste Arbeit sein muss. Denn was ist Erfolg, wenn er sich nicht so anfühlt, wenn er mit dem Gefühl einhergeht, gescheitert zu sein?
Toves Kunst, sagt Vivica, ist nicht nicht besonders, aber die Mumins, sind es. Es geht in diesem Film also auch um Selbst- und Fremdbilder, um Identität. Dabei ist es schön, dass Toves sexuelle Orientierung nicht einfach als Metapher für ihre Identitätskrise (die vor allem eine künstlerische ist) benutzt wird. Im Gegenteil, Tove ist mit ihrer Sexualität im Reinen. Sie leidet darunter, dass ihre Liebe nicht so erwidert wird, wie sie es sich wünscht, ihr Ringen um Selbstakzeptanz findet aber vornehmlich auf der Ebene ihres Schaffens statt. Damit ist TOVE ein Biopic, das stringent und chronologisch die Lebensgeschichte seiner Protagonistin erzählt und es dabei trotzdem schafft, altbekannte Annahmen über Erfolg, Erwartungen und künstlerische Erfüllung zu hinterfragen.
Director of Photography, Linda Wassberg, erhielt für ihre außergewöhnliche Kameraarbeit in TOVE den Sven Nyqvist Cinematography Award.