Slamdance 2021: Die zweite Adresse in Sachen Film in Park City


Mit nur wenig Mittel hat der rumänische Regisseur Bogdan Theodor Oltenau seine Tragikomödie MIA MISSES HER REVENGE produziert. Mia ist eine junge Frau, die an ihrem Freund Rache üben will, weil er ihr im Streit eine Ohrfeige gegeben hat. Ihr Plan ist es, mit einem anderen Mann zu schlafen und sich dabei zu filmen, damit sie ihrem Freund das Video unter die Nase halten kann. Doch obwohl die Kandidaten nicht fehlen, die mit ihr Sex haben wollen, tun sich diese schwerer damit, dass sie alles aufnehmen will. Unverkrampft lässt der Film die jungen Protagonisten über ihr Intimleben sprechen. Die Gespräche unter den Frauen legen Gefühle wie Unsicherheit, gesellschaftlichen Erwartungsdruck und Scham offen. Auch wenn der Film eine leichte ungeschickte Seite hat, die sich in einem etwas abgehakten Fluss der Handlung zeigt, stellt er ein interessantes Debüt dar.

Zwei Kurzfilme kamen im Programm des Festivals zur Geltung. Der erste ist TAIPEI SUICIDE STORY des taiwanesischen Regisseur KEFF. Seine Handlung spielt in einem Hotel, das als besondere Leistung den Selbstmord der Gäste anbietet. Die Gäste kommen für eine Nacht und wählen dann eine Todesart. Sie können sich vergiften, die Pulsadern aufschneiden oder hängen. Das Hotel stellt die Mittel dazu, räumt dann hinter ihnen auf und wickelt die Formalitäten ab. Einer der Protagonisten der Geschichte ist ein junger Mann, der an der Rezeption des Hotels arbeitet. Eines Nachts kommt eine junge Frau, zu der er auf Anhieb einen guten Draht hat. Sie verbringen den Abend zusammen und in ihm keimt die Hoffnung auf, dass sie sich ihren Selbstmord vielleicht doch anders überlegt. Doch soll er einschreiten? Indem er ihr vielleicht Hoffnung auf ein gemeinsames Leben macht? Wie makaber der Stoff des Films auch ist, so sensibel und poetisch deutet der Film diese Liebesgeschichte zwischen den beiden Figuren an. Kompakt und präzise setzt sich der Film mit einem gesellschaftlichen Tabu auseinander und besticht durch eine souveräne formale Umsetzung.

Von Erik Oh stammt ein äußerst suggestiver Animationkurzfilm OPERA, der für die Oscars nominiert ist. Oh ist ehemaliger Animationskünstler bei Pixar und hat mit seinem eigenen Werk eine farbenfrohe, ziemlich beklemmende Dystopie geschaffen. In einer Pyramide sind die verschiedenen Sphären der Gesellschaft angeordnet. Die Ebenen sind mehr oder weniger von einander abhängig. Nach oben hin wird der Platz immer enger. Hier widmet man sich dem leiblichen sowie dem geistlichen Wohl. Hier ist Zeit für religiöser Kult, Freizeit, Sport und Studium. Je tiefer die Ebene, in der die Menschen leben, desto anstrengender ist das Leben. Es wird auch immer dunkler. Die Sonne reicht nicht bis ganz nach unten. Von unten her startet auch eine Revolte, die alles zerstört, die Karten neu mischt. Doch OPERA ist nicht hoffnungsvoll, dass sich nachhaltig etwas ändern kann. Nachdem sich die Aufregung gelegt hat, bildet sich wieder die gleiche Ordnung. Die, die einmal unten waren, sind jetzt oben und verhalten sich wie ihre Vorgänger. Ohs pessimistische Gesellschaftsparabel zeichnet sich durch eine Fülle von Einzelheiten und viel Einfallsreichtum. Sie bleibt durch ihre Prägnanz in Erinnerung.

Teresa Vena

Slamdance fand vom 12. bis 25. Februar 2021 statt.

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