Film Restored – Das Filmerbe-Festival vom 3. bis 7. November 2021


Still aus PALERMO ODER WOLFSBURG, Werner Schroeter © Filmgalerie15

Cinematic Migrations

Migration, das Leben im Exil und die damit verbundenen Fremdheitserfahrungen haben auch in der Filmgeschichte ihre Spuren hinterlassen – sowohl in den Geschichten, die das Kino erzählt, als auch in der politischen Realität, denen sich zahlreiche Filmemacher*innen in ihrem Schaffen ausgeliefert sahen. Das Filmerbe-Festival Film Restored widmet sich in seiner sechsten Ausgabe vom 3. bis 7. November 2021 im Kino Arsenal dem Thema „Cinematic Migrations“. 18 Filme und ein umfangreiches Rahmenprogramm verhandeln die Schicksale von Geflüchteten, Auswanderungen in die Fremde und das Gefühl der Heimatlosigkeit, vornehmlich im europäischen und US-amerikanischen Kontext. Eine Auswahl der Filme, Vorträge und Werkstattberichte wird ebenfalls über die Streaming-Seite www.film-restored.de online zugänglich gemacht.

Wie der Eröffnungsfilm PALERMO ODER WOLFSBURG (1980) von Werner Schroeter verdeutlicht, gestalten sich die Ursachen und Auswirkungen der individuellen Migrationsgeschichten ambivalent. Schroeter verbindet darin dokumentarische Aspekte mit einer aufwändigen Inszenierung und erzählt die Geschichte eines jungen sizilianischen „Gastarbeiters“, der bei VW in Wolfsburg anheuert. Der Gewinner des Goldenen Bären zeigt, dass die Arbeitsmigration aus Süditalien nach Deutschland sowohl von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, als auch von Brutalität und Entfremdung geprägt war.

Doch das Leben von Filmschaffenden im Exil konnte in einigen Fällen auch von Erfolg geprägt sein, wie das Werk des jüdischen Regisseurs Robert Siodmak offenbart. Nach seinem filmischen Durchbruch in Deutschland (MENSCHEN AM SONNTAG (1930)) flüchtete dieser – wie zahlreiche seiner Kolleg*innen – zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in die USA. Dort gelang es ihm, sich in Hollywood eine neue Existenz aufzubauen. Film Restored zeigt seinen ikonischen Kriminalfilm RÄCHER DER UNTERWELT (1946) (OT: THE KILLERS), der die zwielichtigen Elemente des Film Noir mit den stilistischen Einflüssen des expressionistischen Weimarer Kinos kreuzte.

Nach 1945 kehrten einige Exilant*innen nach Deutschland zurück und versuchten, Anschluss an die Filmindustrie zu finden. Der Animationsfilmer Kurt Weiler konnte sich nach seiner Remigration in die DDR einen Namen als bedeutender Avantgardefilmer machen. Seine Werke, die von 1977 bis 1988 entstanden, sind in neu restaurierter digitaler Form zu sehen. Dem Schauspieler Peter Lorre, dessen markantes Gesicht vor allem in der Rolle des Kindermörders in Fritz Langs M (1931) in die Filmgeschichte einging, gelang es nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik jedoch nicht, an seine vorherige Karriere anzuknüpfen. Seine erste und einzige Regiearbeit DER VERLORENE (1951), in der er auch die Hauptrolle spielte, fiel beim Publikum im Nachkriegsdeutschland gnadenlos durch.

In den Filmen über Migrationserfahrungen und diasporische Gemeinschaften offenbaren sich ebenfalls Gefühle der Fremdheit in einem anderen Land. Isaac Juliens und Mark Nashs Essayfilm FRANTZ FANON: BLACK SKIN, WHITE MASK (1996) verbindet Archivmaterial, Interviews und Reenactments zu einem Porträt über den antikolonialistischen Aktivisten und Schriftsteller. Die Heterogenität der filmischen Mittel versinnbildlicht dabei die Desintegration, die mit dem Konzept der „Otherness“ einhergeht. Mit „Otherness“ ist gemeint, dass eine Person oder Gruppe von anderen als andersartig wahrgenommen wird.

Das Film Restored Festival verleiht dieses Jahr zum 22. Mal den Kinopreis des Kinematheksverbundes. Mit einer Gesamtsumme von 30.000 Euro wird das Engagement von kommunalen Kinos ausgezeichnet, die mit ihren vielfältigen Programmen eine anspruchsvolle Kinokultur in Deutschland ermöglichen. Ein Engagement, dem insbesondere nach dem Pandemiejahr 2020 mit Kinoschließungen und drastischen Einschränkungen eine besondere Bedeutung zukommt. Die Preisvergabe wird virtuell stattfinden.

Henning Koch

Film Restored – Das Filmerbe-Festival findet vom 3. bis 7. November 2021 im Kino Arsenal statt. Auf der Festival-Website findet ihr hier das komplette Programm.

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