12. ZEBRA Poetry Film Festival vom 25. bis 28. November


ZEBRA Key Visual © ZEBRA

Politische Poesie(n)

Kurzfilmfestivals gibt es viele, doch nur wenige mit einem so klaren Fokus wie das ZEBRA Poetry Film Festival in Berlin, das sein Anliegen im Namen trägt. Und das in diesem Jahr vom 25. bis 28. November gemäß der (kommenden) Corona-Richtlinien als 2Gplus-Festival in der Urania stattfindet. Präsentiert werden schon seit mehr als zehn Jahren kurze Filme, die mal bestehende Gedicht-Klassiker visuell neu interpretieren, mal die Ergebnisse eines fruchtbaren neuen, zeitgenössischen Dialogs von Text und Bild darstellen. Auch die diesjährige 12. Edition bildet da keine Ausnahme. In den drei Wettbewerben zeigt das Festival dieses Jahr besonders viele politische Beiträge wie LESBIAN von Rosemary Baker, einem mit Verve vorgetragenen Kampfpoem für die affirmative Verwendung des Begriffes Lesbe (der laut der Filmemacherin in aktuellen Genderdiskursen mehr und mehr zu verschwinden droht – das kann und darf polarisieren), einem Cine-Poem zu Belarus, zur Arbeitswelt oder Flucht. Aber auch alltägliches und alltagspolitisches (GET A LIFE von Paul Bogaert und Jan Peeters) und Humoristisch-Farciges ist darunter (ABER PASS AUF!… – BUT BE CAREFUL!…vom verdienten österreichischen Filmemacher Hubert Sielecki, der an der Angewandten in Wien das Studio für experimentellen Animationsfilm einrichtete).

Weitere 15 Programme mit 180 Animationen, Spiel- und Experimentalfilmen sowie Dokumentationen gibt es außerdem zu sehen. Einen Fokus setzt das Festival dieses Jahr auf Frankreich, es fehlen weder animierte Interpretationen von Rimbauds le bateau ivre (LE POÈME DE LA MER von Erwin Le Gal), noch Ausflüge in die experimentelle Welt. Andere thematische Schwerpunkte sind Mental Health, Natur- und Stadtentwicklung und die Auseinandersetzung mit dem Dichten. Auch ein Balladenprogramm mit sechs Filmen, die auf Balladen des 18. und 19. Jahrhunderts basieren (mi Goethe, Heine und Droste-Hülshoff), können literaturzugeneigte Cineast*innen genießen. Nicht fehlen darf außerdem das Kinderprogramm, das beispielsweise mit DIE SCHNECKE UND DER BUCKELWAL aufwartet, der unter anderem von Grüffelo-Macher Max Lang realisiert wurde. Die direkte Einbindung des Festivals in und Ausrichtung durch das Haus für Poesie macht sich zudem stark im Rahmenprogramm bemerkbar, das wieder Lesungen bereit hält.

Für was man sich auch entscheidet: Wer beim Schauen nicht nur unterhalten werden will, sondern auch einen Moment des Innehaltens sucht, der wird 2021 ein reiches Programm vorfinden.

Folgende Filme empfehlen wir im Besonderen:

Anne Isensee DIESER FILM HEIßT AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN BREAKING BERT © Filmuniversität Babelsberg KONRAD-WOLF

DIESER FILM HEIßT AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN BREAKING BERT

Darum geht es
Eine Annäherung an Brechts Gedicht „Wer zuhause bleibt“, episches Theater, den Willen zur aktiven Teilhabe – und die Lethargie, die einen zuhause bleiben lässt.

Was du zum Film wissen musst
Es handelt sich um einen an der Konrad-Wolf-Universität entstandenen Film von Anne Isensee, die mit ihrem MEGATRICK 2017 die Goldene Taube bei der DOK Leipzig erhielt. Pointiert, lustig und nachdenklich zugleich konfrontiert Isensee mit der eigenen Faulheit.

Teil des Programms Internationaler Wettbewerb I
Freitag, 26.11., 19.45 Uhr, Urania, Humboldt-Saal
Samstag, 27.11., 13.30 Uhr, Urania, Kleist-Saal

HOW TO BE AT HOME

Darum geht es
Wie man aus dem pandemiebedingten „Zuhause bleiben“ das Beste rausholen und im Rückzug auch Kraft schöpfen kann.

Was du zum Film wissen musst
Die Kollaboration der Regisseurin Andrea Dorfman und der Dichterin Tanya Davis ist ein Kommentar auf die Corona-Politik – von 2020. Schon ein Jahr später kommt einem der Film etwas angestaubt vor, denn viel Positives lässt sich nach so viel politischem Scheitern nicht mehr im ewigen Home Office finden. Und Resilienzlobreden will niemand mehr hören. Nichtsdestotrotz ist HOW TO BE AT HOME anrührend und wunderschön animiert. Ein Seelentröster.

Teil des Programms Internationaler Wettbewerb I
Freitag, 26.11., 19.45 Uhr, Urania, Humboldt-Saal
Samstag, 27.11., 13.30 Uhr, Urania, Kleist-Saal

GET A LIFE © Paul Bogaert, Jan Peeters

GET A LIFE

Darum geht es
Die Poesie der Internetkritik. Geschickt und mit viel Witz kombinieren Paul Bogaert und Jan Peeters etwas geschmacklos wirkende Labor-Bilder mit One-Line-Reviews, die sich in ihrer reduzierten Form („Terrific!“ vs. „Waste of Time“) als völlig austauschbare, sinnentleerte Labels entlarven. Zwischendrin laufen die Credits und tragende Musik, dann gehts zurück ins Labor und zu den Internettrolls.

Was du zum Film wissen musst
Der Film ist bereits die dritte Zusammenarbeit zwischen dem Filmemacher Jan Peeters und dem Dichter Paul Bogaert, der oft in seinen Texten das scheinbar Triviale ins Poetische wandelt.

Teil des Programms Internationaler Wettbewerb I
Freitag, 26.11., 19.45 Uhr, Urania, Humboldt-Saal
Samstag, 27.11., 13.30 Uhr, Urania, Kleist-Saal

EVENTS MEANT TO BE FORGOTTEN © Marko Tadić

DOGADJAJI ZA ZABORAVITI – EVENTS MEANT TO BE FORGOTTEN

Darum geht es
Das Verschwinden von Menschen. Basierend auf einem Gedicht von Enzensberger greift der Film dialektisch das Dilemma des Menschseins auf: Das Leben ist nur möglich durch den Tod, der Tod durchdringt das Leben.

Was du zum Film wissen musst
Wunderbar und im wahrsten Sinne des Wortes poetisch arbeitet Marko Tadic mit Fotos und Analogfilm, die durch Übermalung und Ausschaben zu „neuem“ Leben erweckt werden. Die vergangenheits-sediment-durchsetzte Gegenwart wird so gedanklich und emotional fassbar.

Teil des Programms: Erinnerungsstücke
Samstag, 27.11., 22.30 Uhr, Urania, Humboldt-Saal

HÉLIOTROPE

Darum geht es
Das Verhältnis von Vater und Tochter als Dialog zwischen Entfernung und Annäherung.

Was du zum Fim wissen musst
Ins Negativ gekratzt, steht der Film von Vincent Vergone in bester experimenteller Animationsfilmtradition. Nichtsdestotrotz wirkt er durch sein zeitloses Sujet zugänglich und rührend. Und erinnert dabei thematisch-atmosphärisch an Animationsfilme wie FATHER AND DAUGHTER oder auch Pavlatovas REPETE.

Teil des Programms: Fokus Frankreich
Freitag, 26.11., 17 Uhr, Urania, Humboldt-Saal

Marie Ketzscher