Stoischer Optimismus von den Inseln: Das 15. British Shorts Kurzfilmfestival


British Shorts Banner

Wenn es in Berlin ein Festival gibt, das genau weiß, wie man seine Zielgruppe anspricht, dann ist es das British Shorts Film Festival: Bei der letztjährigen Sommer-Edition war das Zukunft-Kino gerappelt voll, es gab sogar Schlangen. Kurzweiligkeit ist das dabei vielleicht das große Stichwort, das Expats und Fans der englischen und irischen Filmkultur jetzt schon seit 15 Jahren in die Kinos lockt. Alles, was sich zu ernst nimmt oder sich in oft für arthousigere Festivals typische analytisch-selbstreferentielle Haltungen verzettelt, scheint dem kuratorischen Team hingegen nicht in die Tüte zu kommen.

Die Kurzweiligkeit kann dabei natürlich manchmal auch am Platten und Klischeeisierten hart vorbeischrammen, doch das diesjährige Programm scheint eine besonders starke, kurzweilige Wundertüte zu sein, in der vor allem die ethnisch-kulturelle Vielfalt der Erzählungen augenfällig ist: Hier stehen selbstbewusste leichtfüßige Friseuranekdoten wie PRECIOUS HAIR & BEAUTY (John Ogunmuyiwa), neben postkolonialer amüsanter Zombie-Therapie (VOODOO IN MY HEART, Elias Williams) und Kurzfilmen mit den wiederkehrenden Lieblingsschauspieler*innen des Festivals (LILIAS ADIE, Elize du Toit mit Kate Dickie). Wer weiß, vielleicht ist es der den Engländer*innen nachgesagte Stoizismus gepaart mit einem gewissen optimistischen Pragmatismus angesichts der aktuellen apokalyptisch anmutenden Weltlage, die sich hier auch cineastisch niederschlägt?

Insgesamt zeigt das Festival vom 20. bis 26. Januar 150 Kurzfilme, aber es gibt wie gewohnt auch ein vielfältiges Rahmenprogramm. Neben einer Ausstellung (Fotografie und Haikus), Live-Musik und Talks gehört auch ein Showcase mit dem Techno- und Elektronik-Musiker und Produzenten Max Cooper (der schon Remixes von und für Hot Chip anfertigte) und den McGloughlin Brothers dazu. Zusammen haben die drei bereits einige audiovisuelle immersive Erlebniswelten kreiert, die – zumindest wenn man YouTube Glauben schenken kann – sphärisch-atmosphärisch unter anderem am KOYAANISQATSI erinnern. Dieses Special Showcase findet im Zeiss-Großplanetarium statt, außerdem bespielt das British Shorts Film Festival das Festivalzentrum Sputnik Kino sowie das Acudkino, City Kino Wedding und das Kino Zukunft.

Um die Auswahl etwas einfacher zu gestalten, findet ihr in der Folge einige Tipps aus dem Programm:

NIGHT OF THE LIVING DREAD © Ida Melum

NIGHT OF THE LIVING DREAD

Darum geht es:
Ruby hat mit Stephen Fry Hörbüchern (die Schreiberin dieser Zeilen bestätigt den beruhigenden Effekt) ihr Go-To-Schlafritual gefunden. Doch dann fällt das elektronische Gerät aus – und Ruby ist ganz mit sich allein. Oder ist da doch noch jemand im Schlafzimmer?

Was du zum Film wissen musst:
Ida Melum macht mit ihrem berührenden Stop-Motion-Short das Phänomen der Schlaflosigkeit ganz plastisch und doch humoristisch greifbar. Oft sind ja schließlich die Geräusche, die man allein im Bett wahrnimmt, nur Ablenkungsmanöver von den eigenen Dämonen und Gedanken, die Einen nicht loslassen. Ganz wunderbar animiert ist der an der National Film and Television School entstandene Abschlussfilm NIGHT OF THE LIVING DREAD noch dazu – es wundert wenig, dass Ida Melum auch am BAFTA-Gewinner POLES APART beteiligt war. Und macht gespannt darauf, was da noch in Zukunft kommt.

Teil des Programms „Festival Opening & Festival Screening“:
Donnerstag, 20. Januar, 20 Uhr, City Kino Wedding

Egúngún © Olive Nwosu

EGÚNGÚN

Darum geht es:
Eine junge Frau kehrt für das Begräbnis ihrer Mutter nach Nigeria zurück. Die Rückkehr ist Heilungsprozess und Wunden-Aufreißen zugleich, weil sie ständig damit konfrontiert wird, warum sie das Land verlassen hat.

Was du zum Film wissen musst:
Olive Nwosu erzählt in diesem Kurzfilm von einer fast verloren geglaubten Liebe sowie nigerianischer Alltags – und vor allem Trauerkultur. Das Drehbuch an sich weist wenig innovative Züge auf, aber mit ihrem genauen Blick für Traditionen und Lebensstile in und zwischen unterschiedlichen Kulturen verleiht Nwosu EGÚNGÚN eine ganz eigene Handschrift.

Teil des Programms „Festival Opening & Festival Screening“:
Donnerstag, 20. Januar, 20 Uhr, City Kino Wedding

DON VS LIGHTNING © Big Red Button

DON VS. LIGHTNING

Darum geht es:
DON VS. LIGHTNING ist garantiert ein absolut klassischer British Shorts Liebling, der das Stereotyp des englischen Einsiedlers gekonnt mit einer absurden Handlung vereint. Der Plot ist schnell erzählt: DON wird immer wieder vom Blitz getroffen. Erst weicht er ihm aus, dann bekommt er Lust an diesem „Spiel“ und nimmt den Kampf direkt auf.

Was du zum Film wissen musst:
Der Film ist mit (Peter Mullan, OZARK) und Joanna Scanlan (AFTER LOVE) prominent besetzt und es ist jede Sekunde fühlbar, wieviel Spaß alle Beteiligten an der an den Haaren herbei gezogenen Geschichte haben. Das dahinter steckende Regie-Duo Big Red Button ist sonst auf Werbung spezialisiert und die Pointen sitzen entsprechend.

Festivaltermin:
Freitag, 21. Januar, 20 Uhr, Sputnik Kino 1

The Bayview © Daniel Cook

THE BAYVIEW

Darum geht es:
The Bayview Hotel an der nordöstlichen Küste Schottlands ist seit Jahrzehnten der Anlaufpunkt von Seemännern und Fischern aus aller Welt. Aber er ist viel mehr als das: An einem Ort, der die Umstellung von Industrie auf Digitalisierung wie so viele Städte auf der Welt nicht verkraftet hat, bietet die „Hotelmama“ nebst Familie den dort weilenden Männern, die sie unter anderem mit ihren nationaltypischen Lieblingsessen bekocht, mit viel Wärme ein Innehalten, das kurz so etwas wie Heimat sein kann.

Was du zum Film wissen musst
Der Regisseur Daniel Cook hat mit seinem Dokumentarfilm eine leise Sozialstudie vorgelegt, die ihren Protagonist*innen mit viel Respekt und Liebe begegnet. Obgleich THE BAYVIEW ganz schön anrührt, schafft er die Gratwanderung zwischen Hommage und romantisierender Fallstudie. Ein richtiges Kleinod.

Festivaltermin:
Samstag 22. Januar, 18 Uhr, Sputnik Kino 1