14. Alfilm: Unsere BFF-Empfehlungen


ALFILM Key Visual © subtype.studio/ Fadi Abdelnour

Vom 26.4. bis 2.5. findet die 14. Alfilm-Ausgabe in Berlin statt – und das Programm bietet wieder einen unglaublich vielseitigen Einblick in das Filmschaffen aus der arabischen Welt mit einem künstlerischen Fokus. Dabei unterteilt das Festival sein Angebot in drei Bereiche. ALFILM SELECTION widmet sich dem Filmschaffen von Somalia bis Marokko und Tunesien bis Palästina in Spielfilmen, Dokumentarfilmen und Kurzfilmreihen, beinhaltet aber auch Sondervorführungen, Filmgespräche und ein Programm, das dem renommierten palästinensischen Schauspieler Saleh Bakri gewidmet ist.

Das ALFILM SPOTLIGHT liegt 2023 auf „Ghosts, Griefs, and Lost Dreams Visions of the City in Arab Cinema“. Die Protagonist*innen der hier gezeigten Beiträge sind arabische Städte selbst – als Spiegel politischer Umbrüche und Projektionen zugleich. Hier finden sich Klassiker wie Youssef Chahines kürzlich restaurierter Film DAWN OF A NEW DAY oder FAGR YOUM GEDID (1965), eine Hommage an das Kairo der 60er Jahre, aber auch aktuelle Produktionen wie IN THE LAST DAYS OF THE CITY von Tamer al Said, der auch eine Masterclass geben wird. Eine Paneldiskussion in einem Panel mit dem Titel The Arab City Re-envisioned: Exilperspektiven lädt außerdem Filmemacher*innen ein, über ihre Heimatstädte trotz und gerade aufgrund Entfernung, Vertreibung und erzwungenem Exil zu diskutieren.

Das 14. ALFILM-Atelier präsentiert eine Reihe von Filmgesprächen, Podiumsdiskussionen und Masterclasses, die sich sowohl an Cineast*innen und Filmschaffende als auch an nicht-professionelle Filmliebhaber*innen richten, unter anderem mit dem palästinensischen Schauspieler Saleh Bakri.

Der marokkanische Film THE DAMNED DON’T CRY von Fyzal Boulifa wird die 14. Ausgabe von ALFILM eröffnen. Der Film feierte 2022 in Venedig seine Premiere, wurde für den Queer Lion nominiert – und steht damit mit vielen anderen Filmen des 14. ALFILM-Programms nicht-normative Sexualität und Geschlechteridentitäten in den Vordergrund.

Marie Ketzscher

Das 14. Alfilm findet vom 26.4.-2.5. im Kino Arsenal, City Kino Wedding, CineStar Kino in der KulturBrauerei und Sinema Transtopia statt.

Anbei finden sich die Programmtipps aus der Redaktion

ALAM

ALAM © ALFILM

Darum geht es:
Unterricht, Abhängen, Kiffen in einer palästinensischen Schule in Galiläa: Tamer (Mahmoud Bakri) und seine Freunde navigieren den Alltag, der bis in jedes Detail durch die politischen Verhältnisse geprägt ist. Rückzugsort ist für ihn das sonst leer stehende Haus seines Großvaters, mit den Kumpels geht es viel um Frauen, die sie ja doch nicht kennenlernen. Ohne große politische oder karrieretechnische Ambitionen, aber ständig vom schulischen Rausschmiss bedroht, lässt sich Tamer treiben, bis eines Tages die geheimnisvolle und schöne Maysaa (Sereen Khass) in der Klasse auftaucht. Um ihr näher zu kommen, sagt er bei einer gefährlichen Aktion zu: Am Vorabend des israelischen Unabhängigkeitstages – der für die Palästinenser*innen ein Trauertag ist – möchte er helfen, die israelische Flagge an seiner Schule durch eine palästinensische zu ersetzen.

Was du zum Film wissen musst:
Mit sicherem Gespür inszeniert Firas Khoury diese Adoleszenzgeschichte, die trotz aller politischen Schwere mit viel Witz und Leichtigkeit daherkommt. Vor allem Mahmoud Bakri beeindruckt als fast schon stoisch-lakonischer Tamer, der sich langsam durch das Begehren politisiert. Auch sein Sidekick Mohammad Karaki, der überhaupt nicht verstehen kann, wie man überhaupt politisch engagiert sein möchte, ist grandios.

Termine beim 14. Alfilm
28.04.2023, 21.30 Uhr, City Kino Wedding
29.04.2023, 19.30 Uhr, Kulturbrauerei 5

GAZA MON AMOUR

GAZA MON AMOUR © alamondefilm

Darum geht es:
Eine stille, beständig wachsende Liebe im Gazastreifen: Der alte Fischer Issa (Salim Daw) ist ein grantliger Eigenbrötler, der ständig seiner Schwester zu entkommen sucht, die ihn verkuppeln möchte. Sein Alltag ist geprägt von der Besatzung, die zum Beispiel bedeutet, dass er im Grunde kaum fischen gehen kann, weil der Bereich viel zu klein ist, der ihm zugewesen ist. Eines Nachts gerät ihm dennoch ein ganz schöner Fang ins Netz: Eine splitterfasernackte, antike Skulptur des griechischen Gottes Apollo – den er unbedingt als Glücksbringer behalten will. Hat er doch zufällig die schöne Näherin Siham (Hiam Abbas) entdeckt, der er sich ungeschickt annähert.

Was du zum Film wissen musst:
Arab und Tarzan Nasser haben diesen großen Publikums- und Kritikerliebling inszeniert, der von den herausragenden schauspielerischen Leistungen seiner zwei Protagonist*innen lebt: Salim Daw ist ein zutiefst überzeugender Junggeselle mit allen Neurosen und die Schauspiellegende Hiam Abbas spielt die lebenserfahrene Siham mit großer, stiller Zugewandtheit. Klug bindet der Film die politischen Restriktionen mit ein, ohne dabei sein Thema dabei aus den Augen zu verlieren: Eine glaubwürdige späte Liebe, die gleichzeitig zum Schmunzeln und sogar beherztem Lachen einlädt.

Termin beim 14. Alfilm
30.04.2023, 21.00 Uhr, City Kino Wedding

DAS BLAU DES KAFTANS

DER BLAUE KAFTAN © ALFILM

Darum geht es:
Halim (Saleh Bakri) und seine Frau Mina (Lubna Azabal) sind ein eingeschworenes Team: Sie betreiben nicht nur eines der letzten traditionellen Kaftan-Geschäfte in der Medina von Salé, einer Stadt im Nordwesten Marokkos, sie haben einander auch in allen Lebenslagen beigestanden – und dass, obwohl Mina im Inneren weiß, dass der geliebte Partner eigentlich Männer begehrt. Die Eingespieltheit der beiden kommt ins Wanken, als der schöne Auszubildende Youssef (Ayoub Missioui) im Kaftan-Laden zu arbeiten beginnt.

Was du zum Film wissen musst:
Mit dem palästinensischen Schauspieler Saleh Bakri und der belgischen Schauspielerin Lubna Azabal prominent besetzt, lebt Maryam Touzanis DER BLAUE KAFTAN von der Sinnlichkeit der Bildgestaltung und ihrem Fokus auf die feinen, fließenden Stoffe, den perlenden Schweiß im Hamam und die Schönheit aller drei Hauptdarsteller*innen im Allgemeinen. Die feine Balance zwischen emotionalem Kitsch und überzeugendem Drama gelingt dem Oscar-Shortlist-Kandidaten nicht immer, aber das wahnsinnig vertraute Verhältnis der Eheleute ist so nuanciert inszeniert, dass man das gern ignoriert.

Termin beim 14. Alfilm
1.05.2023, 19.00 Uhr, City Kino Wedding

THE DAMNED DON’T CRY

THE DAMNED DON’T CRY © ALFILM

Darum geht es:
Fatima-Zahra und ihr Sohn Selim haben nur einander. Das Leben ist für Alleinerziehende schwer, auch in Marokko, erst recht im streng patriarchalischen Marokko, in dem Frauen ohne ihre Männer nicht selbst Familienoberhaupt sein können und kaum politische Rechte durchsetzen können. So ist es auch so, dass Selim keinen offiziellen Ausweis besitzt, weil in seiner Geburtsurkunde kein Vatersname eingetragen ist. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass Fatima-Zahra nach einem Mann sucht, der ihr ein gesellschaftlich akzeptiertes Dasein ermöglicht. Nur ist das nicht so einfach, viele meinen es nicht ernst mit ihr. Selim versteht ihre Verzweiflung nicht, wirft ihr vor, zu libertin und gleichzeitig zu unterwürfig zu sein. Dann scheint der richtige Mann gekommen zu sein, und auch Selim seinerseits steht eine vielversprechende Zukunft bevor. Doch das Glück ist nur flüchtig…

Was du zum Film wissen musst:
Dieser zweite Spielfilm des britisch-marokkanischen Regisseurs Fyzal Boulifa ist ein kompromissloses Drama, das seine Protagonisten differenziert und teilweise auch recht unsympathisch zeichnet. Großartig ist dabei insbesondere Aïcha Tebbae in der Rolle der Mutter, die man versteht, einen aber auch ein wenig abstösst. Die Härte der gesellschaftlichen Realität kommt hier zur Geltung, ohne dass das Drehbuch auf sensationalistische Wendungen setzt.

Termine beim 14. Alfilm
26.4.2023, 19.30 Uhr, Kino Arsenal 
27.4.2023, 19.00 Uhr, City Kino Wedding

HARKA

HARKA © ALFILM

Darum geht es:
Ali ist ein freiwilliger Aussteiger aus der tunesischen Gesellschaft, die er als korrupt erachtet. Er arbeitet vor sich hin, lebt in einem Abbruchgebäude und spart jeden Cent, mit dem Ziel bald nach Europa auswandern zu können. Doch dann stirbt seine Mutter und sein Bruder holt ihn zurück nach Hause, weil er sich um die beiden noch ledigen Schwestern kümmern soll, während er, pleite, seiner Frau an die Küste in einen Touristenort folgt, um dort als Kellner zu arbeiten. Was der Bruder verschwiegen hat, ist, dass das Elternhaus von der Bank verpfändet wird, wenn Ali nicht schnell die letzte Bankkreditrate begleichen kann.

Darum geht es:
Regisseur Lotfy Nathan präsentierte seine Parabel auf die Macht und die menschliche Würde letztes Jahr beim Filmfestival in Cannes. Der tunesische Schauspieler Adam Bessa, der die Hauptrolle Alis übernimmt, gewann in diesem Rahmen den Preis für den besten männlichen Darsteller in der Sektion Un certain regard. Seine Leistung ist wirklich bemerkenswert.

Termine beim 14. Alfilm
30.04.2023, 19.00 Uhr, City Kino Wedding
02.05.2023, 21.00 Uhr, Kino Arsenal