„Wenn die Menschen diese Realität überleben können, können wir zumindest den Mut aufbringen, hinzusehen“
Anna Ramskogler-Witt leitet das Human Rights Film Festival Berlin (HRFFB). Kurz vor der Eröffnung mit 20 DAYS IN MARIUPOL im Kino Colosseum am 11. Oktober konnten wir ihr Fragen zum Programm der kommenden Ausgabe und den sehr prominenten Gästen stellen… und bekamen on top einige Filmtipps.
Auf 30 Menschenrechte haben sich die Vereinten Nationen vor bald 75 Jahren geeinigt. Was kann ein Filmfestival leisten, um diesen Grundregelkanon zu pflegen?
Anna Ramskogler-Witt: Mit dem Festival haben wir die einzigartige Chance, Licht auf Geschichten zu werfen, die oft im Schatten liegen. Durch das Medium Film können wir komplexe menschliche Rechtsfragen auf eine zugängliche, eindringliche und oft emotional berührende Weise präsentieren. Wir hoffen, durch das Festival das Bewusstsein zu schärfen und die Wichtigkeit dieser Rechte in den Vordergrund zu rücken.
Lassen sich einzelne Filme klar dem einen oder dem anderen Menschenrecht zuordnen?
Einige Filme haben sicherlich ein zentrales Menschenrechtsthema, aber viele Filme berühren mehrere Rechte und zeigen die Vernetzung und Komplexität von Menschenrechtsthemen auf.
Schon mit der Eröffnung, der Deutschlandpremiere von 20 DAYS IN MARIUPOL, setzt ihr ein Ausrufezeichen. Was erwartet die Gäste?
Unser diesjähriger Eröffnungsfilm 20 DAYS IN MARIUPOL schaut hin und zeigt einen ungeschönten Blick auf das wahre Gesicht des Krieges. Mstyslav Chernovs Kamera flieht nicht vor der brutalen Realität, sondern fängt sie für uns ein – in Bildern, die fast unerträglich sind. Wenn die Menschen diese Realität überleben können, können wir zumindest den Mut aufbringen, hinzusehen.
Insgesamt stehen 42 internationale Dokumentarfilme auf dem Programm. Nach welchen Kriterien sucht und findet ihr passende Filme für das HRFFB?
Der Prozess beginnt tatsächlich direkt im Anschluss an das vorherige Festival. Wir durchforsten kontinuierlich die internationale Festivallandschaft, um Filme mit einem starken Bezug zu Menschenrechten zu identifizieren. Um sicherzustellen, dass unser Festival eine vielfältige und reichhaltige Auswahl an Filmen bietet, arbeiten wir eng mit Expertinnen aus der ganzen Welt zusammen. Diese Expertinnen weisen uns auf bemerkenswerte Filme hin, die vielleicht nicht im Rampenlicht der großen Festivals stehen. Von rund 400 sorgfältig ausgewählten Filmen kuratieren wir dann ein dynamisches und vielseitiges Festivalprogramm, das sich intensiv und facettenreich mit den Themen Menschenrechte und humanitären Krisen auseinandersetzt.
Ihr erwartet einige Filmschaffende zu den Screenings. Was passiert da und auf wen dürfen sich Besucher_innen freuen?
Es ist uns eine Ehre, so viele Filmschaffende begrüßen zu dürfen. Besucher können sich auf angeregte Diskussionen, Frage-Antwort-Sessions und tiefgehende Gespräche über die Filme und die dahinterstehenden Themen freuen. Ein besonderes Highlight sind die Masterclasses mit inspirierenden Persönlichkeiten wie Oscar-Gewinnerin Patricia Arquette oder Schauspielerin Katja Riemann, die über den Spagat zwischen ihrer Arbeit und ihren Aktivismus sprechen.
Eine besondere Position nimmt in diesem Jahr die deutsch-iranische Stand-Up-Künstlerin Enissa Amani ein. Welche Impulse erhofft ihr euch von ihrem Engagement?
Enissa Amani bringt eine einzigartige Perspektive und Energie mit. Ihr Engagement als Künstlerin und Aktivistin wird zweifellos das Bewusstsein für unsere Sache schärfen und dem Festival eine noch größere Reichweite verleihen.
Gibt es einen Film oder einen Tag, den sich Festival-Besucher_innen vormerken sollten?
Jeder Tag unseres Festivals bietet einzigartige und beeindruckende Geschichten, weshalb es herausfordernd ist, lediglich einen hervorzuheben. Doch die zehn Filme unseres internationalen Wettbewerbs verdienen besondere Erwähnung. Unter ihnen sind Filme wie WE DARE TO DREAM über das olympische „Refugee Team“ von Waad al-Kateb; ihr voriger Film FOR SAMA hat tiefen Eindruck hinterlassen und eröffnete unser Festival im Jahr 2019. MY NAME IS HAPPY, der die beeindruckende Geschichte einer jungen Frau erzählt, die sich mutig gegen Femizide einsetzt. Oder BEYOND UTOPIA, der einen Einblick in die Flucht von Menschen aus Nordkorea, dem am stärksten überwachten Land der Welt, bietet.
Die Fragen stellte Denis Demmerle.
Das Human Rights Film Festival Berlin (HRFFB) findet von 11. bis 22. Oktober 2023 statt.