17. British Shorts: Den Rave zum Programm gemacht


RAVE © London Film School
RAVE © London Film School

Wenn es einen bei Blitzeis fast auf die Fresse haut, dann ist in der Regel soweit in Berlin: Dann zeigen die British Shorts wieder in aller Kürze, was die Inseln so cineastisch zu bieten haben. Auch dieses Jahr, und zwar vom 18. bis 24. Januar von Wedding bis nach Charlottenburg: im Sputnik Kino, City Kino Wedding, Acud, Gretchen, Klick Kino und Kino Intimes. Das eingefleischte Fan-, Expat- sowie nicht-deutschsprachige Berlinpublikum hat dabei schon wieder früh zugeschlagen und dafür gesorgt, dass die Retrospektive sogar in der Zusatzvorstellung ausverkauft ist. Kein Wunder, schließlich hat hier BFF-Autor und British-Shorts-Mitkurator Henning Koch ein Programm aufgetischt, das die Berlincrowd völlig abholt: „Weekender – Memories of Acid House & 90s Rave Scenes“ versammelt Musikfilme, Dokumentationen und Videoclips über die Rave-Szene der 80er und 90er in den UK. Dabei hat Henning vor allem die sozialen und politischen Aspekte herausgearbeitet, die von kritischer Gegenkultur bis Warehouse-Rave reichen.

Neben weiteren spannenden Sonderveranstaltungen wie dem Konzert von Grateful Cat, einem 48h-Workshop oder der Ausstellung „Castlemorton Common Festival 1992“ mit Fotografien von Alan Lodge gibt es wieder ein mit über 150 Beiträgen prall angefülltes Kurzfilmprogramm aus Live Action, Animation und Dokumentarfilmstoffen. Darunter natürlich wie gehabt auch prominent besetzte Filme sowie Preisträger- und Nominiertenfilme.

Im Folgenden ein paar Einblicke und Empfehlungen.

A WORLD TO ROAM

WORLD TO ROAM © Stephen Irwin
WORLD TO ROAM © Stephen Irwin

Darum geht es:
Vater und Mutter legen das Kind gemeinsam schlafen. Doch am nächsten Morgen ist das Bettchen immer leer. Und irgendwann geht das Kleine in Flammen auf.

Was du zum Film wissen musst:
Aus der Feder des experimentierfreudigen Animationsexzentrikers Stephen Irwin nimmt sich WORLD TO ROAM als ganz und gar bizarres postnatales/prepubertäres Coming-of-Age aus, bei dem kein Versuch, das Kind zu Hause zu halten, je gelingen kann. Aber vielleicht ist es auch schon zu viel der Interpretation – und Irwin hat einfach wieder herrlich schräge Charaktere in eine dystopische Welt gebeamt, die ihrem Schicksal nicht entkommen können (allwissende Erzählerinnenstimme on top).

Termin beim British Shorts
19.1.2024, 22 Uhr, Sputnik Kino

FLOWERED UP – WEEKENDER

Hier könnt ihr WEEKENDER auch online schauen

Darum geht es:
WEEKENDER ist eine knapp 20-minütige Gratwanderung zwischen Kurzfilm und Musikvideo von 1992, die, so will es die Klassikerlegende, mit ihrer offenherzigen Darstellung von drogengesättigten Rave-Nächten nach dem stupiden 9-5-Job der Ästhetik von TRAINSPOTTING und anderen Filmen maßgeblich den Weg bereitete.

Was du zum Film wissen musst:
WIZ‘ WEEKENDER wirkt unglaublich frei und assoziativ, obwohl tatsächlich relativ stringent die Partynacht eines Antihelden erzählt wird. Aber die Montage aus Werktätigen, Club-Konsum nebst Trip und Absturz – mal dokumentarisch, mal als Live Action inszeniert – sowie die musikalische Untermalung, die mal vom Grungigen ins Jazzige und dann zurück ins Poppige „trippt“, ist eben erfrischend genredefying. Und am Ende schauen wir alle fassungslos in den Himmel.

Termin bei den 17. British Shorts:
23.1.2024, 20:00 Uhr, Gretchen

PUFFLING

PUFFLING © Jessica Bishop
PUFFLING © Jessica Bishop

Darum geht es:
Kurz vor den großen Lebensentscheidungen und dem Ende der Schulzeit gehen ein paar Jugendliche einer eigenen „Tradition“ nach: In den Hafenvierteln einer kleinen isländischen Insel sammeln sie nachts kleine Papageientaucher ein, die vom Weg abgekommen sind und von allein nicht mehr zurück ans Meer finden.

Was du zum Film wissen musst:
Die Analogien liegen schnell auf dem Tisch in Jessica Bishops kurzem Dokumentarfilm: Auch die Jugendlichen sind in einem Zwischenstadium, und noch nicht ganz flügge. Manche wissen genau, dass sie von der Insel weg wollen und andere sehen genau hier ihre Zukunft, Klimawandel und Abgeschiedenheit zum Trotz. Nichtsdestotrotz: In Kombination mit der wunderbaren, rauen Landschaft entwickelt PUFFLING eine schöne kleine Mikrokosmos-Energie einer spezifischen Lebenszeit.

Termin bei den 17. British Shorts:
20.1.2024, 17:30 Uhr, Sputnik Kino

WILD SUMMON

WILD SUMMON © Sulkybunny, Karni Arieli und Saul Free
WILD SUMMON © Sulkybunny, Karni Arieli und Saul Free

Darum geht es:
Den Lebenszyklus eines Wildlachses, der als menschlich wirkendes 3D-Wesen animiert ist. Und die menschliche Einwirkung, die diesen Zyklus bisweilen durcheinanderwirbelt, unterbricht, beendet.

Was du zum Film wissen musst
Als straight foward inszenierte Parabel auf die Umweltzerstörung besticht WILD SUMMON durch die fantastischen gefilmten Island-Aufnahmen und die unvergleich rauchige Stimme von Marianne Faithfull, die uns die Geschichte vom Wildlachs von seiner Geburt bis zum Sterbeflussbett erzählt. Die anthopomorphen 3D-Gestalten sind beeindruckend (fast schon show-off), allerdings bleibt die Frage, warum sich die Regisseur*innen Karni Arieli und Saul Free bei ihrer ganzen (leider ziemlich didaktischen geratenen) Umsetzung sich nicht gleich für rein menschliche Charaktere entschieden haben. WILD SUMMON ist einer von 15 Filmen, die sich auf der Oscar Short List befinden.

Termin bei den 17. British Shorts:
21.1.2024, 20:00 Uhr, City Kino Wedding

JILL, UNCREDITED

JILL UNCREDITED © Loop
JILL UNCREDITED © Loop

Darum geht es:
In penibler Archivarbeit hat Anthony Ing für JILL, UNCREDITED Film- sowie Serien-Szenen zusammengeschnitten, in denen die Statistin Jill Goldston erschienen ist. Und es sind nur 100 Einsätze – von insgesamt 2000.

Was du zum Film wissen musst:
JILL, UNCREDITED ist eine schöne – wenn auch etwas zu lang geratene – Hommage an Statist*innen. Die wenig Beachteten, deren menschelndes Hintergrundrauschen die Hauptdarsteller*innen erst den Kontext und die große Bühne im Bild verschafft.

Termin bei den 17. British Shorts:
19.1.2024, 20 Uhr, Sputnik Kino