„Am Himmel der Tag“ von Pola Schirin Beck


Aylin Tezel und Henrike von Kuick, Foto: Juan Sarmiento G., Kinostar

Aylin Tezel und Henrike von Kuick, Foto: Juan Sarmiento G., Kinostar

Fragiles neues Leben

Filme über ungewollte Schwangerschaften folgen häufig einem bekannten Narrationskonzept: Frau lässt sich unbeabsichtigt von Typ XY ein Brot in den Ofen schieben, der aber sowieso ein Arschloch ist und das Kind gar nicht haben will, weshalb alsbald ihr Steuerprüfer, Blumenhändler oder Gynäkologe als Ersatz-Daddy und -Liebhaber einspringen wird und am Ende sich dann die neu formierte Patchworkfamilie in den Armen liegt. Da solche Geschichten viel zu oft erzählt wurden und, wie vermutet werden darf, reichlich unrealistisch sind, will man ein weiteres Coming-of-Age-Schwangerschaftsszenario wie „Am Himmel der Tag“ (Pola Schirin Beck) schnell in die Klischeeschublade verbannen. Aber dann kommt alles doch ganz anders.

Lara (Aylin Tezel) ist 25, Studentin, und sie verbindet eine tiefe Mädchenfreundschaft inklusive Streicheleinheiten und Zungenküsse mit ihrer Kommilitonin Nora (Henrike von Kuick). In einer durchzechten Nacht im Club mit Alkohol und Ecstasy schnappt Nora ihrer Freundin aber den heißen Architektur-Dozenten direkt vor der Nase weg, auf den Lara schon länger ein Auge geworfen hatte. Frustriert lässt sie sich hierauf auf einen Quickie mit dem Barkeeper ein und wird sich am Ende des Abends mit selbigem gegen ein Toilettenspülrohr gelehnt wiederfinden. Ein paar Wochen später erhält Lara die Hiobsbotschaft, dass sie schwanger ist und entscheidet sich für das Kind. Bis hierhin ist „Am Himmel der Tag“ ein echter Klassiker, allerdings – und das ist das Erfreuliche an dem Film – taucht in Laras Fall nun kein weißer Ritter aus der Versenkung auf, der die Mission Baby zum Erfolg führen wird.

Man könnte eigentlich die unbedarfte und naive Haltung der Protagonistin beanstanden, die offenkundig dem aktuellen Zeitgeist widerstrebt, erst jenseits der 30 ein Kind zu bekommen. Da Lara noch Studentin ist und abgesehen von einem Disco-One Night Stand keinerlei Verbindung zu dem Vater des Kindes besteht, klingt ihr Vorhaben nicht sonderlich vernünftig. Andererseits stellt sich die Frage, wer solche Entscheidungen überhaupt beurteilen und verurteilen darf, bleibt die Erfahrung eines neuen Lebens, das plötzlich im eigenen Körper heranwächst, doch etwas Einzigartiges und gleichzeitig sehr Persönliches.

Dass Laras Welt sich nun verändern wird und neue Freundschaften – wie etwa mit ihrem holzschnitzenden Nachbarn aus Island – entstehen, dafür aber die Freundschaft zu Nora, die nach wie vor Amour fou mit dem Dozenten spielt, ins Wanken gerät, ist nicht sonderlich überraschend. Umso überraschender kommt dagegen der entscheidende Wendepunkt in der Geschichte, als Lara bereits im sechsten Monat schwanger eines Tages in einem Möbelgeschäft steht und ihr Kleid vollblutet. Lara wird lernen, dass das eigene und das neue Leben sowie Träume und Erwartungen zerbrechlich sind, dass es keinen perfekten Zeitpunkt für bestimmte Dinge gibt und dass Freunde und Familie manchmal nichts verstehen. Wie gesagt, ein Kind zu bekommen, das ist etwas sehr Persönliches. Es nicht zu bekommen aber genauso.

Alina Impe

Am Himmel der TagPola Schirin Beck, Darsteller: Aylin Tezel, Henrike von Kuick, Godehard Giese, Tómas Lemarquis, Lutz Blochberger, Kinostart: 29. November 2012